Jahrzehntelange Fehlanreize treiben die Schweizer Landwirtschaft wirtschaftlich an den Abgrund
Wertschöpfung und Wirtschaftlichkeit der Schweizer Landwirtschaft bilden im weltweiten Vergleich ein Schlusslicht. Hauptsächlicher Treiber sind staatliche Fehlanreize durch hohe Subventionen und Preisstützungen. Weil der Bund in seinen Statistiken jeweils stark geschönte Zahlen zur wirtschaftlichen Lage der Landwirtschaft publiziert, wurde das eigentliche Ausmass des Desasters von der Politik und der Öffentlichkeit bisher kaum zur Kenntnis genommen.
Jahrzehntelange, im internationalen Vergleich extrem hohe Fehlanreize durch Subventionen haben die Schweizer Landwirtschaft in eine komplette Staats- und Industrieabhängigkeit getrieben.
2009 verdiente die Schweizer Landwirtschaft aus ihrer Produktion erstmals keinen Rappen mehr. Seither übersteigen die Kosten für Vorleistungen wie Futtermittel, Energie, Pestizide und Maschinen die Erlöse aus der Produktion. Dabei ist die von den Konsumenten getragene Preisstützung durch den Grenzschutz noch nicht einmal in die Rechnung miteinbezogen. Wird sie mit eingerechnet, schreiben die Schweizer Bauernbetriebe heute insgesamt rund 2 Milliarden Verluste, noch bevor sie sich einen Lohn ausbezahlt haben. Dies zeigen Analysen von Vision Landwirtschaft. Der Bund dagegen publiziert bis heute massiv geschönte Zahlen.
Die Subventionen halten also nicht einfach unrentable Strukturen am Leben, sondern fördern aktiv eine immer intensivere, enorm unwirtschaftliche Produktion, deren Kosten weit stärker steigen als die Ertragssteigerungen und die Erlöse aus den produzierten Produkten. Die Landwirtschaft ist zu einem wirtschaftlichen Durchlauferhitzer geworden. Ihre Einnahmen fliessen unter dem Strich vollständig an die vorgelagerten Branchen weiter. Agrarkonzerne steigern dabei ihren Umsatz Jahr für Jahr. Gleichzeitig entstehen durch den hohen Technik- und Hilfsstoffeinsatz massive Umweltschäden.
Die jetzige Politik weiterzuführen ist ökonomisch verantwortungslos. Die Zahlen und Fakten sind auf dem Tisch. Vision Landwirtschaft fordert für den Reformschritt der AP 2022+ grundlegende Korrekturen.
Die Hochschule St. Gallen (HSG) hat den Grenzschutz für Gemüse und Obst untersucht. Gemäss der Studie werden einkommensschwache Haushalte durch die für Schweizer Gemüse verlangten Verkaufspreise zu stark belastet. Die Schweizer Landwirtschaft sei nicht wettbewerbsfähig, kritisieren die Forscher.
Die Schweizer Landwirtschaft kann international nicht wettbewerbsfähig sein - muss es auch nicht. In der Bundesverfassung (Artikel BV 104) sind die Aufgaben der Landwirtschaft gegenüber der Schweizer Bevölkerung klar umschrieben. Würde die Landwirtschaft den freien Marktkräften ausgesetzt, wäre nur noch in den besten Lagen der Schweiz eine Nahrungsmittelproduktion wirtschaftlich möglich. In den übrigen Lagen aber ist eine einheimische Produktion im globalen Markt nicht konkurrenzfähig. Im freien Spiel der Marktkräfte würden dann allerdings wichtige gemeinwirtschaftliche Leistungen, für die kein privater Markt besteht, nicht mehr erbracht. Dazu gehört die sichere Versorgung mit lokal hergestellten und hochwertigen Lebensmitteln, das Tierwohl oder eine hohe Landschaftsqualität. Diese Vielfalt von multifunktionalen Leistungen ist der Schweizer Bevölkerung enorm wichtig. In industrialisierten Ländern, in welchen keine Anreize zur Erbringung solcher Leistungen angeboten wird, ist die Produktionsweise der Landwirtschaft in Gunstlagen viel zu intensiv, während schwierig zu bewirtschaftende Gebiete gar nicht mehr genutzt werden. Damit wird einerseits das landwirtschaftliche Produktionspotential der Zukunft irreversibel geschmälert; direkt und indirekt beeinträchtigt werden aber auch die Lebensqualität, die Wirtschaft und, durch die Folgekosten, die Staatsfinanzen.
Zölle und Handelsbeschränkungen zum Schutz der Landwirtschaft sind grundsätzlich gerechtfertigt, da ein Agrarfreihandel die Existenz der Landwirtschaft nicht nur in der Schweiz, sondern auch in anderen Ländern gefährdet. So erhebt z.B. die Europäische Union Agrarzölle zum Schutz des Preisniveaus für landwirtschaftliche Erzeugnisse und auch die EU Verbraucher:innen bezahlen infolge der Zölle zum Schutz der inländischen Produktion höhere Produktpreise. Sozialpolitik über die Preise für landwirtschaftliche Produkte betreiben zu wollen, ist völlig abwegig. Da werden die Bedürfnisse zweier Bevölkerungsgruppen gegeneinander ausgespielt – diejenigen der einkommensschwachen Bevölkerung gegen diejenigen der in der Landwirtschaft Tätigen. Solche Forderungen sind nicht nur unsozial, sondern gefährden auch das Zusammenleben in der Bevölkerung.
Tag für Tag werden die Lebensmittelregale gefüllt und Restaurants und Kantinen beliefert. Tausende Produkte sind jederzeit verfügbar. Hinter dem Warenangebot steckt ein hochkomplexes System. Mit hohem logistischem Aufwand sorgen Landwirtschaft, Industrie und Handel dafür, dass die Produkte zur rechten Zeit am rechten Ort sind. Doch nur zu einem kleinen Teil landen Lebensmittel direkt aus der Region auf unseren Tellern. Denn die Landwirt:innen aus der Region produzieren überwiegend für den Grosshandel und dadurch legen die Lebensmittel hunderte von Kilometern zurück. Wenn zum Beispiel ein Zürcher Obstproduzent seine Äpfel an die Migros liefert, muss er diese nach Gossau im Kanton St. Gallen fahren und die Migros liefert diese dann an ihre Märkte in der Stadt Zürich. Das sind dann hin und zurück 150 km. Dieses System hat sich über Jahre entwickelt. Doch je komplexer ein System, desto mehr Energie wird benötigt und es wird anfälliger für Störungen aller Art.
Wir sollten die regionalen Ressourcen besser nutzen. Das heisst nicht, dass die Ernährung zu 100 Prozent regional sichergestellt werden sollte. Aber die regionale Selbstversorgung könnte deutlich besser sein. Auf den Flächen rund um die Stadt sollte das wachsen, was nach möglichst kurzem Weg auf den Tellern landet, für ein Ernährungssystem, in dem ein reger Austausch herrscht und in dem es ein gesteigertes Bewusstsein und Interesse für regionale Lebensmittel gibt. Das ist auch ein Ernährungssystem, das man in seiner Freizeit entdecken und erleben kann, das sich durch Diversität auszeichnet, kleine Betriebe erhält und Innovationen fördert. Ein solches System schützt nicht nur die natürlichen Ressourcen, sondern auch die Kulturlandschaft und wertet das Leben in der Region durch eine lokale Wertschöpfung auf. Wie das funktionieren kann:
Portrait des Pionierbetriebes Brüederhof - Die Stärken der Region besser nutzen
(VL) Wer regional einkaufen möchte, braucht auch ein regionales Angebot. Und umgekehrt: landwirtschaftliche Betriebe und Verarbeiter brauchen Abnehmer:innen für ihre regional erzeugten Lebensmittel. Um die Nahversorgung zu stärken und Stadt und Land zusammenzubringen, müssen alle Akteur:innen zusammenwirken.
Genau dies findet im Biogarten Lieli auf dem Birchhof in Oberwil-Lieli statt. An der bereits zur Tradition gewordenen Feldbegehung der Geschwister Kessens nehmen immer mehr interessierte Menschen teil. Sie wollen wissen, wie ihr Gemüse- und Obst angebaut wird, das sie mit ihrem Gemüse-Abo an über 150 Quartierdepots im Raum Zürich und Baden abholen können.
Der Biogarten mit zwei unbeheizten Treibhäusern.
Samuel Kessens führt uns durch seinen zwei Hektar grossen Biogarten. Er ist Gemüsebauer, weil sein Vater Gemüsebauer ist. Aber er hat einen besonderen Blick für nachhaltige Systeme und ein starkes Interesse für ein zukunftsfähiges Ernährungssystem. Mit neuen Anbaumethoden entwickelt er den väterlichen Betrieb weiter und indem er seine Kunden auf den Betrieb einlädt, fördert er ein tieferes Verständnis für die Lebensmittelproduktion. Das hilft ihm, weil dadurch sein Gemüse nicht perfekt sein muss und die Kunden verstehen, wenn es manchmal weniger Bohnen dafür mehr Zucchetti gibt.
Feldbegehung, angeführt von Samuel Kessens.
Sehen wie das Gemüse wächst.
Sie sind etwas wirklich Besonderes, die kleinen, vielfältig bepflanzten Gemüsebeete. Sehr eng beieinander wachsen Salate, Rüebli, Zwiebeln, Blumenkohl, Himbeeren, Äpfel, Zwetschgen und vieles mehr. An den Rändern der Beete blühen Borretsch, Kamille und andere Wildblumen. Und in zwei ungeheizten Folientunneln warten dichte Reihen grüner Tomaten und Melonen aufs Reifwerden. Auch die vielen kleine, schwarzen Läuse an den Bohnenblättern sind wichtig für die Entwicklung der Marienkäferlarven, denn bald werden sie das natürliche Gleichgewicht wieder herstellen.
Samuels Kessens Kernanliegen ist die Erhaltung und Wiederherstellung eines humusreichen Bodens als lebendiges Ökosystem. Der Betriebsleiter setzt darum auf Kompost, Gründüngung, eine ausgeklügelte Fruchtfolge, eine reduzierte Bearbeitung des Bodens und enge Pflanzabstände. Die Beete werden so wenig wie möglich betreten oder von Maschinen befahren, damit der Boden nicht zu sehr gestört wird. Das alles ermöglicht eine sehr hohe Produktivität auf sehr kleiner Fläche bei möglichst geringem Verbrauch an Ressourcen. Das Wasser wird von der nachbarschaftlichen Quelle mit einer Solarpumpe in den Wassertank gepumpt und dort gespeichert, wo es dann über ein Tröpfchen Bewässerungssystem langsam in den Kulturen verteilt wird. Feuchtigkeit und Nährstoffe bleiben somit im Boden, der zudem CO2 bindet. Das erhöht die Widerstandsfähigkeit, auch gegen die Folgen des Klimawandels.
Gesunde Böden erhalten die Feuchtigkeit.
Diese Art der Bewirtschaftung von Agrarland ist in der Schweiz eher selten. Das eigentlich überraschende am Biogarten Lieli sind aber die beinahe zwanzig Mitarbeitende, die hier jäten, pflanzen, bewässern, ernten, waschen, verpacken und ausliefern. Ist das wirtschaftlich tragbar? Ja, meint Samuel Kessens. «Der Grossteil der Produkte wird direkt von uns auf dem Birchhof in unserem Biogarten produziert. Dadurch bleibt die Wertschöpfung auf unserem Betrieb. Andere Produkte kaufen wir aus der Region dazu, um die Wünsche unserer Kund:innen erfüllen zu können. Dabei achten wir auf Saisonalität, Regionalität und eine verantwortungsvolle Produktion.»
Auch die Politik muss einen Beitrag leisten, um die Nahversorgung zu verbessern. Die öffentliche Hand könnte mehr regionale und saisonale Erzeugnisse in ihren Kantinen einsetzen. Vielfältige und innovative Unternehmen und Initiativen sollten unterstützt und gefördert werden, für «ein System, das wieder Verbindung schafft, vom Landwirt bis zum Teller.»
Die Marienkäferlarven fressen die Eier von Läusen, bis sich das Gleichgewicht wieder einstellt.
Wasser wird sparsam eingesetzt und wo möglich gesammelt und gespeichert.
Jede noch so kleine Fläche wird intensiv genutzt, sogar der Zaun dient als Stütze für Brombeeren und Vogelsitzstangen.
Schonende Bodenbearbeitung, um das Bodengleichgewicht zu erhalten.
Radio SRF sucht im Rahmen eines Beitrages nach Antworten zu einer veganen Landwirtschaft und wie ökologisch diese wäre, wenn alle Schweizer Bauern aus der Fleischproduktion aussteigen würden. Die Sendung zeigt zudem auf, worauf Vision Landwirtschaft immer wieder hinweist: Die Tierbestände müssen deutlich reduziert werden und die staatliche Produktionslenkung setzt falsche Anreize. "Zur Sprache kommt auch eine Studie von Vision Landwirtschaft (15:20)." Das Problem ist auch nicht der Konsument, wie immer wieder behauptet wird, sondern das agrarpolitisches System, das die Preise zugunsten eines nicht nachhaltigen Konsums verzerrt und damit nachhaltiges Konsumverhalten systematisch behindert.
Wie Vision Landwirtschaft vor einem halben Jahr in einer Studie aufgezeigt hat, ist die Schweizer Landwirtschaft und Ernährung weit entfernt von «Kostenwahrheit». Mit Blick auf Umweltrecht und Klimaziele wird das immer mehr zum Problem. Vision Landwirtschaft zeigt deshalb in einem neuen Papier auf, wie der Weg zu einer nachhaltigen Land- und Ernährungswirtschaft im Sinne der offiziellen Klimaziele und weiterer Ziele des Bundes aussehen könnte. Der Umbau der Subventionen im Sinne des Verursacherprinzips und der Kostenwahrheit spielt dabei eine tragende Rolle.
(VL) Wer soll die Kosten der Produktion von Gütern und Dienstleistungen tragen? Grundsätzlich ist die Antwort klar und weitherum anerkannt: Zahlen soll, wer die Kosten verursacht. Wenn dies der Fall ist, liegt «Kostenwahrheit» vor. In der Landwirtschaft und Ernährung wird dieses Prinzip heute auf den Kopf gestellt. Um-weltschädigende Produktionsweisen und Konsummuster werden vom Staat massiv begünstigt. Nicht nachhaltig produzierte Güter werden so viel zu günstig, nachhaltige zu teuer. Das Problem ist also nicht der Konsument, der nicht bereit ist, für nachhaltige Nahrungsmittel deutlich mehr zu bezahlen, sondern ein agrarpolitisches System, das die Preise zugunsten eines nicht nachhaltigen Konsums verzerrt und damit nachhaltiges Konsumverhalten systematisch behindert. In einer neuen Studie von Vision Landwirtschaft wird der Umfang dieser Verzerrungen erstmals quantifiziert. Um die agrarpolitischen Ziele im Bereich Umwelt und Ernährungssicherheit zu erreichen, wird es unumgänglich sein, das heutige System grundlegend neu auf Kostenwahrheit auszurichten.
Kostenwahrheit ist ein Grundprinzip einer transparenten, fairen Marktwirtschaft. Wer Kosten verursacht, soll dafür aufkommen. Im Bereich des Verkehrs wurde schon vor vielen Jahren erkannt: die Kosten umfassen neben den privaten Kosten der Fahrzeuge und Treibstoffe weitere Kostenbereiche: Kosten für die Steuerzahler, z.B. durch den Strassenbau, und Kosten zulasten der Allgemeinheit durch Umweltbelastungen und Verkehrsunfälle, sog. externe Kosten. Das Bundesamt für Statistik (BFS) publiziert regelmässig, wie hoch die Gesamtkosten des Verkehrs sind und wer sie trägt.
Wie sieht die Situation in der Land- und Ernährungswirtschaft aus? Neben den Konsumenten tragen auch die Steuerzahler und die Allgemeinheit einen Teil der Kosten. Doch wie hoch diese sind, ist bisher in der Landwirtschaft im Gegensatz zum Verkehr nie ermittelt worden. Vision Landwirtschaft legt nun erstmals eine Statistik vor, welche die Gesamtkosten der Nahrungsmittelproduktion transparent erfasst und nach Kostenträgern aufschlüsselt. Als Grundlagen dienten offizielle Statistiken des Bundes und eine wissenschaftlich fundierte Berechnung der externen Kosten der Schweizer Landwirtschaft.
Von Kostenwahrheit weit entfernt
Die Ergebnisse der Studie zeigen: Landwirtschaft und Ernährung sind heute vom Prinzip der Kostenwahrheit weit entfernt. Von den fossilen Energieträgern über Beiträge für Pestizidspritzgeräte und Fleischwerbung bis zur Entsorgung der Schlachtabfälle wird die Nahrungsmittelproduktion vom Bund auf alle erdenklichen Arten subventioniert. Hinzu kommen die Umweltkosten zulasten der Allgemeinheit, die beispielsweise durch Pestizide oder Ammoniakemissionen verursacht werden und kostspielige Gegenmassnahmen erfordern.
Besonders problematisch: die Produkte, welche für die Allgemeinheit die grössten Umweltbelastungen verursachen, werden am stärksten subventioniert. Die Produktion tierischer Nahrungsmittel, welche die Hälfte der Kalorienproduktion ausmacht und drei Viertel der Umweltkosten der Landwirtschaft von 3,6 Milliarden Franken verursacht, wird vom Bund viermal stärker subventioniert als die Produktion pflanzlicher Nahrungsmittel. Beim Rindfleisch beispielsweise zahlen die Konsumenten deshalb weniger als die Hälfte der wahren Kosten.
Widerspruch zu Zielen und Strategien
Wenn Bohnen oder Vegi-Burger mehr kosten als Poulet oder Hackfleisch, kommt nachhaltiges Verhalten einem Schwimmen gegen den Strom gleich. Die in Landwirtschaftskreisen beliebte Sichtweise, dass das Problem bei den Konsumentinnen und Konsumenten liege, die nicht bereit seien, für nachhaltige Produkte mehr zu bezahlen greift zu kurz. Landwirtschaft und Ernährung sind durchsetzt von ökonomischen Fehlanreizen, die gesunde und nachhaltige Produktionsweisen und Konsummuster systematisch behindern.
Die Politik des Bundes steht auch im Widerspruch zu dessen eigenen Zielen und Strategien, und zwar nicht nur im Bereich Umwelt. Gemäss der Schweizer Ernährungsstrategie (BLV 2017) werden zu viel Fleisch sowie Milchprodukte mit hohem Fettgehalt und zu wenig Getreideprodukte, Kartoffeln, Hülsenfrüchte und Gemüse konsumiert. Der Bund trägt mit seinen Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft also zu ungesunden und umweltschädigenden Konsummustern bei.
Die fehlende Kostenwahrheit liefert auch die Erklärung, warum die Agrarpolitik trotz ihrem hohen Mitteleinsatz die Vorgaben des Umweltrechts weit verfehlt (s. Bericht «Indikatoren für die Beurteilung der Agrarpolitik»). Der Bund zahlt heute jährlich hunderte Millionen Franken zur Schadensbegrenzung, also allein dafür, dass die Umweltziele nicht noch umfassender verfehlt werden, wie eine aktuelle Studie der Forschungsanstalt WSL am Beispiel der Biodiversität aufzeigt.
Frage der Fairness
Kostenwahrheit in der Landwirtschaft ist aber nicht nur Voraussetzung für die Erreichung der Umweltziele, sondern auch eine Frage der Fairness. Die heutige Politik weitab vom Verursacherprinzip bestraft beispielsweise diejenigen, die sich umwelt- und tierfreundlich ernähren, oder Landwirte, die mit ihrem Verhalten sehr viel für die Umwelt leisten.
Wie Kostenwahrheit erreichen? Kostenwahrheit in der Landwirtschaft bedeutet konkret:
Subventionen, die an landwirtschaftliche Inputs wie fossile Energie oder Outputs wie Milch oder Schlachtabfälle gebunden sind, sind eliminiert.
Kosten zulasten der Allgemeinheit durch Emissionen aus importierten oder künstlich hergestellten Produktionsmitteln (fossile Energie, importierte Futtermittel, Mineraldünger, Pestizide) werden ihren Verursachern angelastet.
Umweltbelastungen, die im Rahmen guter fachlicher Praxis auf Basis der regionalen Produktionsgrundlagen und unter Anwendung ressourcenschonender Technik entstehen, haben keine finanziellen Konsequenzen für die Produzenten.
Als gemeinwirtschaftliche Leistungen unterstützt werden weiter gehende Leistungen wie pestizidfreie Produktion, Reduktion von CO2-Emissionen durch Umwandlung von Äckern auf Moorböden in Grünland, etc.
Bei importierten Nahrungsmitteln werden die Umweltauswirkungen der Produktion deklariert und mit Abgaben belegt, um eine Benachteiligung der einheimischen Produktion zu verhindern. Pauschale Zölle können in diesem Umfang reduziert werden.
Das Resultat davon ist, dass der nachhaltige wirtschaftende Landwirt günstiger produzieren kann als der umweltschädlich produzierende. Dadurch werden umweltfreundliche Nahrungsmittel im Laden günstiger als umweltschädlich produzierte.
Masterplan benötigt
Um Kostenwahrheit auch in der Agrarpolitik zu verankern und damit einer nachhaltigen Landwirtschaft nicht weiterhin Milliarden an Steuergeldern in den Weg zu stellen, ist ein Masterplan nötig. Sein Horizont geht dabei über die vierjährigen Etappen der Agrarpolitik hinaus. Zudem muss er mit den offiziellen Zielen und Strategien des Bundes in den Bereichen Umwelt, Klima, Gesundheit und Ernährung eng koordiniert werden.
Zitierte Literatur: BLV (2017). Geniessen und gesund bleiben. Schweizer Ernährungsstrategie 2017–2024. Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV, Bern.
Analog zur Statistik «Kosten und Finanzierung des Verkehrs» des Bundes hat Vision Landwirtschaft in einer neuen Publikation erstmals die Vollkosten der Schweizer Landwirtschaft erfasst und nach transparenten Kriterien den Kostenträgern «Konsumenten», «Steuerzahlende» und «Allgemeinheit» zugeordnet. Die Ergebnisse sind für die anstehenden agrarpolitischen Entscheide brisant.
Wer soll die Kosten der Produktion von Gütern und Dienstleistungen tragen? Grundsätzlich ist die Antwort klar und weitherum anerkannt: Zahlen soll, wer die Kosten verursacht. Wenn dies der Fall ist, liegt «Kostenwahrheit» vor.
In der Landwirtschaft und Ernährung wird dieses Prinzip heute auf den Kopf gestellt. Umweltschädigende Produktionsweisen und Konsummuster werden vom Staat mit Milliardensubventionen begünstigt. Nicht nachhaltig produzierte Güter werden so viel zu günstig, nachhaltige zu teuer.
Das Problem ist also nicht der Konsument, der nicht bereit ist, für nachhaltige Nahrungsmittel deutlich mehr zu bezahlen, sondern ein agrarpolitisches System, das die Preise zugunsten eines nicht nachhaltigen Konsums verzerrt und damit nachhaltiges Konsumverhalten systematisch behindert.
In der vorliegenden Studie wird der Umfang dieser Verzerrungen erstmals quantifiziert. Um die agrarpolitischen Ziele im Bereich Umwelt und Ernährungssicherheit zu erreichen, wird es unumgänglich sein, das heutige agrarpolitische System grundlegend neu zu konzipieren und konsequent auf Kostenwahrheit auszurichten.
Agrarmedien überquellen von Inseraten und eingelegten Reklameprospekten zu Produkten, welche ein Bauer "unbedingt haben muss". An der Schweizer Landwirtschaft lässt sich gutes Geld verdienen., Sie gibt Milliarden aus für Futtermittel, Futterzusätze, Pestizide, Dünger, neue Maschinen, neue Gebäude. An der Inserateflut verdienen auch die landwirtschaftlichen Medien kräftig mit. Um die Inserenten bei der Stange zu halten, werden regelmässig grundlegende journalistische Qualitätstandards missachtet. Versteckte Firmenwerbung im redaktionellen Teil ist gang und gäbe. Damit tragen die Bauernmedien eine wesentliche Mitverantwortung für die rekordteure, heute vollständig von Direktzahlungen abhängige Schweizer Landwirtschaft.
Die Schweizer Landwirtschaft ist zu einem ökonomischen Durchlauferhitzer degeneriert. Am Markt verdient der durchschnittliche Landwirtschaftsbetrieb keinen Rappen mehr, weil er alles Geld, das er über die Produktion einnimmt, gleich wieder an die vorgelagerten Branchen weiterreicht - für Futtermittel, Dünger, Pestizide, Maschinen, Stallbauten, Tierärzte etc. etc.
Auf gut Deutsch: In der Schweiz wird mit zu vielen, oft unwirtschaftlichen Zukäufen zu intensiv und zu teuer produziert, viel teurer als im umliegenden Ausland. Die hiesige Landwirtschaft kann sich dies leisten, weil hier so hohe Direktzahlungen ausgerichtet werden - rund 5-10 Mal mehr als im umliegenden Ausland. Dank den staatlichen Zahlungen von durchschnittlich über 60'000 Franken pro Betrieb und Jahr geht die Rechnung trotz der zu vielen zu teuren und oft umweltschädlichen Zukäufen am Schluss dennoch auf.
Ein zentraler Treiber dieser Entwicklung sind die Agrarmedien, die von den Inseraten der Agrarindustrie leben. Jede Bauernzeitung überquillt von Inseraten und Prospekten für Dinge, die dem Bauer angedreht werden für eine "sichere und hohe" Produktion.
Mit den Inseraten aber nicht genug. Die Interessen der Agrarfirmen haben sich auch tief eingenistet in den redaktionellen Teil der Zeitungen. Eines dieser Beispiele präsentierte kürzlich Die Grüne. In einem ausführlichen Artikel werden die grossen Vorzüge von Übersaaten für hohe Erträge im Grünland angepriesen. Dafür brauche es gutes Saatgut und gute Maschinen um es auszubringen. Beides wird im Detail vorgestellt und suggeriert, dass ohne diese Massnahmen kein zukunftsgerichteter Landwirtschaftsbetrieb mehr intensiven Futterbau betrieben könne.
Von den Kosten, welche diese Massnahmen verursachen, und der Tatsache, dass es bei gutem Wiesenmanagement ganz ohne diese Hilfsmittel geht, steht kein Wort. Dafür werden die Firmen, welche die angepriesenen Hilfmittel vertreiben, im Text mehrfach genannt.
So funktionieren die Bauernmedien immer häufiger, und so hintertreiben sie im Interesse ihrer Inserenten die Wirtschaftlichkeit der Schweizer Landwirtschaft. Nebenbei machen sie sich mitschuldig an ihren Umweltproblemen. Denn die meisten der zugekauften Vorleistungen und Hilfmittel sind schlecht für die Umwelt - auch im vorliegenden Falle: Mit dem Saatgut wird fremde Genetik eingeführt, zusätzlichen Diesel verbrannt und letztlich eine nicht nachhaltige, zu intensive Wiesenbewirtschaftung überhaupt erst möglich gemacht.
Niemand hat bisher die Kosten der Schweizer Landwirtschaft so genau analysiert wie Avenir Suisse vor zwei Jahren. Nun publizierte die Denkfabrik eine akualisierte Auflage.
Die Kosten haben nochmals um 4% zugelegt. Für 2018 betragen sie 20,7 Milliarden Franken - oder 400'000 Franken pro Landwirtschaftsbetrieb. 8.5 Milliarden davon berappen Steuerzahler und KonsumentInnen direkt. Fast ebenso hoch schlagen die landwirtschaftlichen Umweltschäden zu Buche, wobei dieser Wert mit grösseren Unsicherheiten behaftet ist und eher konservativ berechnet sei.
Die staatlichen Zahlungen landen nachweislich vor allem bei der weitverzeigten Agroindustrie. In kaum einem anderen Land verdient die sog. vorgelagerte Branche an der Landwirtschaft auch nur annähernd so viel wie in der Schweiz. Dafür liefert sie gerne überbodende Mengen an Futtermitteln, Pestiziden, Maschinen, neuen Gebäuden etc. etc. Diese Vorleistungen wiederum sind hauptverantwortlich für die meisten Umwelt- und Landschaftsschäden der Schweizer Landwirtschaft.
Ausser der Industrie kennt das extrem teure Agrarsystem der Schweiz fast nur Verlierer - neben der Umwelt nicht zuletzt die Bäuerinnen und Bauern, die in eine vollständige finanzielle Abhängigkeit vom Staat geraten sind und sich dank vergünstigten Kreditmöglichkeiten weltweit am höchsten verschuldet haben.
Ein Ausweg aus dem Schlamassel ist bisher nicht absehbar. Wo immer es geht versucht die Agroindustrie zusammen mit dem eng verbandelten Bauernverband, Reformen zu verhindern.
Biolebensmittel sind im Laden wesentlich teurer als konventionell hergestellte Produkte. Das schreckt die meisten KonsumentInnen ab, mehr Bio zu kaufen. Gegenwärtig liegt der Marktanteil von Biolebensmitteln in der Schweiz bei knapp 10%. Bleiben die Preisdifferenzen so hoch, wird Bio nie aus der Nische herauskommen. Wie Vision Landwirtschaft in der NZZ aufzeigt, müsste das nicht so sein.
Gegenwärtig verdienen alle an Bio kräftig mit, am meisten die Grossverteiler, deren Margen im Biobereich deutlich höher liegen. Dies treibt die Preisdifferenzen zwischen bio und konventionell in die Höhe. Und führt zu einem Biomarkt, der zur ewigen Nische verdammt ist.
Tatsächlich muss eine nachhaltige Landwirtschaft nicht teurer sein für die Konsumenten, vor allem wenn die Bauern für ihre ökologischen Produktionsweisen mit Direktzahlungen unterstützt werden.
Eine nachhaltige Schweizer Landwirtschaft der Zukunft wird kein Bioland sein. Eine naturgemässe Landwirtschaft braucht kein teures Label, sondern muss zur Selbstverständlichkeit werden. Dort, wo sie mehr kostet als eine umweltschädliche Turboproduktion, gleichen Direktzahlungen die Differenz aus. So will es die Verfassung. Nur wird heute noch weit über die Hälfte der Direktzahlungen missbraucht, um genau das Gegenteil zu fördern: nämlich eine Turboproduktion, die damit für den Konsumenten viel zu günstig wird im Verhältnis zu nachhaltig produzierten Lebensmitteln.
Was steckt alles in den Nahrungsmitteln, die wir täglich konsumieren? Können Bauern damit heute noch Geld verdienen? Was ist der Preis für den Einsatz von Pestiziden und ist Bio wirklich ganz unbedenklich?
Andreas Bosshard, Bauer und Agrarökologe gibt Antworten auf Fragen rund um die heutige intensive landwirtschaftliche Produktion und deren Wirtschaftlichkeit.
Die Direktzahlungen des Staates sind in der Schweiz seit einigen Jahren höher als das landwirtschaftliche Einkommen. Das bedeutet: Trotz der staatlich gestützten Preise verdienen Landwirtinnen und Landwirte in der Schweiz also kein Geld mehr mit der Nahrungsmittelproduktion. Zu hoch sind die Kosten für all die Vorleistungen einer zu intensiven Produktion. Aufgrund einer verfehlten Agrarpolitik sind die Bauern de facto zu Staatsangestellten geworden.
Wer heute an der Landwirtschaft Geld verdient ist die Agroindustrie, und dies immer üppiger. Sie verkauft sehr erfolgreich Pestizide, Dünger, Futtermittel, neue Traktoren und Melkroboter. Ihre Umsätze und Gewinne steigen Jahr für Jahr. "Berater" der Agrofirmen tauchen mit tollen Angeboten auf dem Betrieb auf, wenn der Landwirt vom Staat die Direktzahlungen auf sein Konto überwiesen bekommen hat und kurbeln damit eine Negativspirale an.
Beispiel Kraftfutter. Die von der Industrie gepushte Fütterung mit Kraftfutter ist nicht nur teurer als die Milchproduktion aus Weidegras, sondern auch noch viel umweltschädlicher. Der steigende Kraftfuttereinsatz der vergangenen Jahre führte in der Milchproduktion zu Überschüssen. Der Milchpreis ist deshalb rasch in den Keller gesackt. Die Industrie jedoch verdient doppelt: Sie verkauft Kraftfutter (und weitere Hilfsstoffe) und kommt so erst noch zu billigerer Milch.
Die Agrarpolitik muss einen Kurswechsel einschlagen, um von einer umweltzerstörenden, für die Bauernfamilien unrentablen, frustrierenden, umweltschädlichen Landwirtschaft hin zu einer ressourcenschonenden, wieder kostengünstigeren Nahrungsmittelproduktion zu gelangen, in welcher die Bäuerin und der Bauer ihr Geld mit der Produktion aus dem eigenen Boden verdient statt am Tropf der Direktzahlungen zu hängen.
Intensiv bewirtschaftete Obstanlagen führen zu einer massiven Reduktion der Biodiversität und zu einer starken Abhängigkeit von externen Inputs wie Pestiziden und Mineraldünger.
Nun zeigen innovative Obstproduzenten, dass mit einem zukunftsweisenden Management im Obstbau mittels Blühstreifen die Bodenfruchtbarkeit und die Biodiversität nachhaltig verbessert werden können. Auf Insektizide kann so ganz verzichtet werden. Nicht nur wirtschaftlich ist die Methode interessant, sondern sie bringt auch markante Vorteile für Umwelt und Gesellschaft.
Kein Konzern verdient mehr Geld an der Schweizer Landwirtschaft als der Agrarmulti Fenaco. Milliarden von Franken sind es, die für den Zukauf von Futtermitteln, Düngern, Pestiziden etc. von Schweizer Bauernhöfen an den gewieften Agrarmulti fliessen. Je industrieller die Produktion, desto rentabler das Geschäft.
Wenn dagegen in Zukunft weniger umweltschädliche Hilfsmittel eingesetzt werden sollen, wie das die Trinkwasserinitiaitve (TWI) will, geht das für Fenaco, Syngenta & Co. direkt ans Eingemachte.
Kein Wunder bekämpft die Agroindustrie die Initiative nach Kräften. Fenaco beispielsweise unterstützt allein die Vorkampagne gegen die TWI mit 200'000 Franken. Nicht direkt, sondern über den Bauernverband, der finanziell und personell engstens mit Fenaco verbandelt ist.
Wer weniger Agrarindustrie, dafür mehr nachhaltige, bäuerliche Landwirtschaft will, unterstützt die Trinkwasserinitative.
PS: Und wer jetzt beim Landi Gartenwerkzeug für seinen Biogarten kauft, finanziert die Fenaco-Kampagne gleich mit.
Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) hat Ende Februar 2019 fünf Auftragsstudien zum Thema «Vor- und nachgelagerte Wertschöpfungsstufen der Landwirtschaft» publiziert. Was in den Studien zu kurz kommt, ist die Einordnung der Resultate in Bezug auf die aktuelle Agrarpolitik und andere Studien. Die letzte Nummer der Seco-Zeitschrift «Die Volkswirtschaft» mit dem Schwerpunktthema «Rund um die Landwirtschaft» füllt dieses Manko leider auch nicht. Entsprechend werden die Resultate beispielsweise in der Bauernzeitung gemäss eigenen Interessen interpretiert.
Vision Landwirtschaft hat die Seco-Studien genauer unter die Lupe genommen. Hier die agrarpolitisch wichtigsten Resultate und der Kommentar aus Sicht von Vision Landwirtschaft (letzterer jeweils in fetter Schrift):
1) Von der hohen Stützung der Landwirtschaft profitieren auch die vor- und nachgelagerten Branchen. Das heisst vor allem auch, dass die Landwirtschaft gezielter gestützt werden könnte.
2) Auswirkungen von Marktmacht der vor- und nachgelagerten Branchen auf Preise und Margen sind kaum nachweisbar. Demgegenüber können die Produzentenverbände Mengen und Preise weitgehend als Monopolisten festlegen, solange die Produktion den Inlandkonsum nicht übersteigt.
3) Bei Produkten mit hohem Verarbeitungsgrad ist der Anteil der Landwirtschaft an der Preisdifferenz zum Ausland (logischerweise) gering. Was nicht erwähnt wird: Bei den untersuchten Produkten Brot, Joghurt und Rohschinken ist derAnteil der Produzentenpreise am Konsumentenpreis in der Schweiz deutlich höher als in den umliegenden Ländern.
4) Vorleistungen, welche die Landwirte für ihre Produktion zukaufen, wie Futtermittel und Dünger, sind über 20% teurer als in den Nachbarländern. Die Schweizer Produzentenpreise sind aber im Mittel etwa 50% höher als im Ausland. Die in der Bauernzeitung formulierte These einer «Landwirtschaft zwischen Hammer und Amboss» ist also weit hergeholt. Umso mehr, als die Direktzahlungen in der Schweiz mehr als fünfmal so hoch sind wie in den umliegenden Ländern.
5) Die hohe Stützung erhöht die Nachfrage nach Vorleistungen (wie Dünger und Futtermittel) und führt damit zu einer intensiven landwirtschaftlichen Produktion. Diese ist im hohen Mass auch umweltschädlich.
6) Die Wertschöpfung in der Schweizer Landwirtschaft sei ähnlich hoch wie im umliegenden Ausland. Das lässt ausser acht, dass der geltende Grenzschutz für landwirtschaftliche Produkte die Inlandpreise verzerrt. Wenn dies berücksichtigt wird, ist die Wertschöpfung der Schweizer Landwirtschaft im Vergleich zu den Nachbarländern viel tiefer.
Zusammenfassend ergibt sich: Die Wertschöpfung der Schweizer Landwirtschaft ist tief und viel geringer als gemeinhin angenommen. Der Grund dafür sind aber nicht hohe Margen der vor- und nachgelagerten Branchen oder überhöhte Preise der Vorleistungen. Der Grund liegt vielmehr in der viel zu kostenintensiven Produktion, darunter den hohen Mengen an zugekauften Vorleistungen, die auch noch ineffizient eingesetzt werden (z.B. Kraftfutter für die Milchproduktion).
Wichtige Studien zum Thema wurden zudem nicht einbezogen: Beispielsweise schätzte eine vom Bundesamt für Landwirtschaft BLW in Auftrag gegebene OECD-Studie Ende 2017, dass drei Viertel der 3.3 Milliarden Franken Marktstützung nicht der Landwirtschaft, sondern den vor- und nachgelagerten Branchen zugute kommen. Diese wohl wichtigste Studie zum Thema wird im zusammenfassenden Artikel in der letzten Nummer der Seco-Zeitschrift «Die Volkswirtschaft» mit dem Schwerpunktthema «Rund um die Landwirtschaft» wie auch in den weiteren Artikeln nicht einmal erwähnt.
Inhaltsangaben und Anmerkungen zu den einzelnen Studien sind hier zusammengestellt.
In den letzten 15 Jahren haben die Direktzahlungen pro Milchbetrieb um 60% zugenommen. Dennoch geht es den meisten Milchbauern wirtschaftlich schlecht. Als die Milchkontingente 2009 abgeschafft wurden, erhöhten sie ihre Produktion. In der Folge fielen die Milchpreise. Um die Mindereinnahmen zu kompensieren, versuchen die Bauern, ihre Betriebe weiter zu vergrössern und die Milchleistungen mit immer mehr Kraftfutter weiter zu steigern. Dazu importieren sie immer mehr Kraftfutter aus dem Ausland. Mit Investitionskrediten und Direktzahlungen gibt auch der Staat der Entwicklung kräftig Schub.
Die Verlierer dieses Teufelskreises seien die Bauern und die Umwelt, dafür fliesse immer mehr Geld an die Industrie ab, sagt Andreas Bosshard, Geschäftsführer von Vision Landwirtschaft, in einem Artikel in "Der Zeit". Die Kuh sei sehr ineffizient bei der Verwertung von Kraftfutter und könne nur knapp zehn Prozent davon in Milchbestandteile umwandeln. So würden zur Produktion von Milchüberschüssen in den Schweizer Milchställen Nahrungsmittel vernichtet, mit denen zwei Millionen Menschen ernährt werden könnten.
In einem Faktenblatt hat Vision Landwirtschaft einen Ausweg aus der Milchkrise aufgezeigt: Ein weitgehender Verzicht auf Kraftfutter, dafür mehr Weidehaltung, mit der deutlich günstiger Milch produziert werden kann. Ein durchschnittlicher Betrieb hätte laut Berechnungen von Vision Landwirtschaft dann noch 22 Kühe, würde dabei pro Jahr aber 24'000 Franken mehr verdienen.
Bis heute wird die Wirkung der Agrarpolitik mit Indikatoren gemessen, die mehr verschleiern als klären. Die fehlende Transparenz ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass das Parlament die Agrarpolitik statt auf die gesetzlichen Ziele weitgehend auf die Interessen der landwirtschaftsnahen Industrie ausrichten kann. Um dies zu ändern, veröffentlicht Vision Landwirtschaft heute zusammen mit anderen Organisationen 21 Kennzahlen (sog. Indikatoren). Sie geben erstmals einen breiten Überblick über die Zielerreichung der Agrarpolitik, basierend auf den gesetzlichen Grundlagen. Sie zeigen: Nur 2 von 21 Zielen werden erreicht. Nicht nur alle wichtigen Umweltziele, sondern auch die wirtschaftlichen und sozialen Ziele werden verfehlt, oft in hohem Mass. Gleichzeitig werden für die Ziele, die bereits mehr als erreicht sind, die umfangreichsten Mittel verwendet.
(VL) Seit zwanzig Jahren publiziert das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) eine Reihe von Kennzahlen (sogenannte Indikatoren), um die Zielerreichung der Agrarpolitik zu beurteilen und aufzuzeigen, wo weitere Massnahmen nötig sind.
Die bisher verwendeten Indikatoren orientieren sich allerdings viel zu wenig klar an den gesetzlichen Zielen und sind deshalb wenig aussagekräftig. Beispielsweise wird die sichere Versorgung in Krisen an der Menge der heute produzierten Kalorien gemessen, ohne Bezug zum Bedarf an verschiedenen Nahrungsmitteln und unabhängig davon, ob die Voraussetzungen für die Produktion auch in einer Importkrise vorhanden sind. Für manche wichtigen Ziele der Agrarpolitik wie die Erreichung des Einkommensziels gemäss Landwirtschaftsgesetz (Art. 5 LwG) oder die Wettbewerbsfähigkeit wurden bisher überhaupt keine Indikatoren publiziert.
Vision Landwirtschaft kritisiert die Indikatoren des Bundes schon lange als ungeeignet und hat dem BLW vor einem Jahr Analysen und Vorschläge für neue Indikatoren vorgelegt. Die Vorschläge sowie eine Interpellation im Parlament haben wohl dazu beigetragen, dass das BLW in der Vernehmlassung zur AP 22+ neue Indikatoren vorschlägt. Diese sind aber nicht besser als die alten. Wichtige Themen fehlen, der Bezug zu den Zielen bleibt sehr lose, und die Indikatorwerte werden nicht mit den gesetzlichen Zielwerten verglichen. Die Indikatoren stützen sich zudem kaum mehr erkennbar auf die gesetzliche Grundlage (Art. 185 LwG und Nachhaltigkeitsverordnung).
Neue Indikatoren
Vision Landwirtschaft hat deshalb zusammen mit weiteren Organisationen ein neues Set von 21 Indikatoren entwickelt. Diese 21 Indikatoren umfassen 10 Zielbereiche: 7 Indikatoren sind den Bereichen Soziales / Ökonomie / Versorgung zugeordnet, 7 den Umweltbereichen Boden, Luft und Wasser / Grundwasser, 3 dem Bereich Biodiversität, 2 dem Bereich Landschaft und 2 dem Bereich Tierwohl.
Die Indikatoren wurden nach klaren Prinzipien und aufgrund von vielen Gesprächen mit Fachleuten definiert. Sie sollen auf der Grundlage der aktuell verfügbaren Zahlen eine breite Übersicht über die Zielerreichung der Agrarpolitik in allen wichtigen Zielbereichen, von der Ökonomie bis zum Tierwohl, geben. Die Zielwerte wurden dabei so direkt wie möglich aus den Gesetzesgrundlagen abgeleitet.
Die Indikatorwerte zeigen (Details siehe Abb. 1): 1. Nur 2 von 21 Zielen werden erreicht. Nicht nur alle Umweltziele, sondern auch die wirtschaftlichen und viele weitere Ziele werden verfehlt, oft in hohem Mass. 2. Die Ziele, die erreicht oder mehr als erreicht werden, sind der Beitrag zur Versorgungssicherheit in Krisen und das Einkommensziel gemäss Landwirtschaftsgesetz (Art. 5 Landwirtschaftsgesetz). 3. Ausgerechnet für die bereits mehr als erreichten Ziele fliessen die umfangreichsten Mittel – beispielsweise die Direktzahlungen für Versorgungssicherheit und (weitere) Formen pauschaler Einkommensstützung. 4. Für die gemeinwirtschaftlichen Leistungen der Landwirtschaft, die jeweils als Begründung für die ganzen 7 Mrd. Franken Gesamtstützung herangezogen werden, wird nur ein Bruchteil der Gelder eingesetzt (rund 1,5 Milliarden Franken). 5. Nur ein Bruchteil der nicht an Leistungen gebundenen, also sozial motivierten Stützung, kommt Betrieben zugute, die diese Art von Stützung besonders nötig haben.
Diese Ergebnisse bedeuten, dass die Mittel der Agrarpolitik alles andere als zielorientiert eingesetzt werden.
Stillstand mit System
Die Intransparenz über die Verwendung der Mittel und die Wirkung der Massnahmen hat in der Agrarpolitik System. Damit machen es Bundesrat und Verwaltung dem Parlament leicht, die Steuergelder weiterhin unbemerkt an den Interessen der Konsumentinnen und Steuerzahler vorbei in die Agrarindustrie zu lenken.
Mit der heutigen Intransparenz werden die Steuerzahlerinnen und Konsumenten über die Wirkung der 5 Milliarden öffentlicher Gelder im Dunkeln gelassen – oder im Glauben, den der Bauernverband verbreitet, dass eine stärkere Ausrichtung der Agrarstützung auf eine umweltschonende Produktion die Bauern und die Schweizer Landwirtschaft in ihrer Existenz bedrohe. So lange die Bevölkerung dies glaubt, ist sie bereit, die hohen Kosten und die Umweltschäden in Kauf zu nehmen.
Würden die 5 Milliarden gezielt eingesetzt, wären die 21 Ziele der Agrarpolitik innert weniger Jahre erreichbar, wie Modellrechnungen im Weissbuch von Vision Landwirtschaft bereits 2010 aufzeigten. Stattdessen fliessen bis heute die Stützungsgelder primär an Futtermittelproduzenten, marktmächtige Handelskonzerne und Industrien wie die Fenaco, die im Bundesrat gleich mit zwei ehemaligen Verwaltungsräten vertreten ist.
So fördern die öffentlichen Gelder eine importbasierte, industrielle Schweizer Landwirtschaft, welche die Gewässer überdüngt, die Artenvielfalt weiter schwinden lässt und die Schweizer Landschaft mit Hühnerställen und Gewächshäusern entwertet - und zugleich viele Betriebe zu Investitionen verleitet, die in einer gesamtwirtschaftlichen und oft auch betrieblichen Sicht wenig Sinn ergeben.
Transparenz gefordert
Vision Landwirtschaft fordert, dass der Bund mit seinen eigenen Indikatoren Transparenz hinsichtlich der Verwendung und Wirkung der ganzen 7 Milliarden Franken herstellt. Insbesondere sind die Wirkungen der 5 Milliarden Franken an pauschaler Stützung transparent zu machen. Die Grundlagen dafür sind bei der bundeseigenen Forschungsanstalt Agroscope weitgehend vorhanden, müssen jedoch verständlich aufbereitet werden.
Im Weiteren ist die nicht zielorientierte Stützung in zielorientierte Beiträge umzulagern oder zu streichen. In diesem Sinn zielführend wäre eine Bedarfsprüfung für nicht an Leistungen gebundene (also sozialpolitisch motivierte) Stützung. Antragsteller sollen nachweisen müssen, dass sie (a) ihre Betriebe nach wirtschaftlichen Kriterien führen, (b) ihren Beitrag zur Erreichung der Umweltziele leisten und (c) ein bestimmtes Arbeitseinkommen nicht überschreiten. Damit lässt sich verhindern, dass die Einkommensstützung nicht in eine kostenintensive, umweltschädigende Produktion fliesst, die den Zielen von Verfassung und Gesetzen widerspricht.
AP22+: Viel Aufwand, kaum Wirkung
Mit der Agrarpolitik 2022, deren Vernehmlassung heute endet, stellte der Bund eine effizientere Verwendung der Bundesmittel in Aussicht. Von klaren Zielen, transparenten Indikatoren und wirksamen Massnahmen sind die Vorschläge jedoch weit entfernt. Die unzähligen kleinen Anpassungen auf Gesetzes- und Verordnungsebene bringen viel administrativen Aufwand mit sich, am milliardenschweren Abfluss öffentlicher Gelder an die Agrarindustrie ändern sie jedoch kaum etwas.
Vision Landwirtschaft fordert den Bund auf, die Agrarreform 2022+ von Grund auf zu überarbeiten und die bekannten Probleme mit bereits heute weitgehend bekannten Massnahmen endlich anzugehen (s. Vernehmlassung).
Erstmals eine umfassende und detallierte Übersicht über die direkten und indirekten volkswirtschaftlichen Kosten der Schweizer Landwirtschaft: Das ist das Verdienst einer neuen, aufwändigen Studie von Avenir Suisse - auch wenn sich im Einzelnen über viele Zahlen und die rigorosen Forderungen im umfangreichen Bericht streiten lässt.
Dass die Schweiz bei der Agrarstützung weltweit zur Spitzengruppe gehört, ist nicht neu, ebenso dass sich unser Land die Landwirtschaft mehrere Milliarden pro Jahr kosten lässt. Wie hoch diese Agrarstützung insgesamt allerdings ist, hat bisher niemand im Detail analysiert. Das Resultat mag dann doch erstaunen. Gemäss Avenir Suisse summieren sich die jährlichen volkswirtschaftlichen Kosten auf rund 20 Milliarden Franken.
Ein Blick in die Herleitung dieser Summe zeigt: Sie wurde sorgfältig und auf der Basis des bestehenden Wissens eruiert. Das "Privilegienregister der Landwirtschaft", das der Berechnung zugrunde liegt, beinhaltet eine umfassende Übersicht über die direkten und indirekten Kosten der Landwirtschaft, die in dieser Form neu ist.
Im Detail lässt sich über viele der im Privilegienregister enthaltenen Quantifizierungen streiten. Und die Forderungen, die daraus hergeleitet werden, dürften nicht im Geringsten mehrheitsfähig sein.
Der Wert der Studie liegt denn auch nicht in diesem Schlussresultat mit den 20 Milliarden volkswirtschaftlichen Kosten, sondern in der soliden Diskussionsbasis, welche Avenir Suisse mit ihrem Papier zur Verfügung stellt. Sie will es zusammen mit Experten und Akteuren in der Landwirtschaft in transparenter Weise laufend weiterentwickeln und nötigenfalls auch korrigieren. Auch wenn die Kosten vielleicht am Schluss nur halb so hoch sein sollten: Selbst dann ist es nicht akzeptabel, dass bei so hohen Kosten die meisten der agrarpolitischen Ziele verfehlt werden.
Es ist zu hoffen, dass die Studie von Avenir Suisse nach Abklingen der ersten harschen Reaktionen aus Landwirtschaftkreisen als das genommen wird, was sie ist: Eine Dienstleistung an der Gesellschaft und am Bund, um eine faktenbasierte Diskussion über die Zukunft der Schweizer Agrarpolitik zu ermöglichen.
Im Rahmen des Projektes «Pestizidfreie Tafelobstproduktion auf Hochstammbäumen» der IG Kulturlandschaft untersuchte ein Maturand die Wirtschaftlichkeit verschiedener Obst-Produktionssysteme. Zudem befragte er KonsumentInnen zur Akzeptanz von ungespritztem Tafelobst. Die Hochstamm-Tafelobstproduktion erweist sich erstaunlicherweise als viel rentabler als diejenige im Intensivanbau. Selbst wenn die Früchte zum Grosshandelspreis verkauft würden, wäre der Verdienst beim Hochstamm-Anbau höher. Mindestens ein Drittel der gegenwärtigen Tafelobstproduktion der Schweiz könnte so produziert werden. Die befragten KonsumentInnen stehen der pestizidfreien Produktion sehr interessiert gegenüber und sind bereit, mehr zu bezahlen. Kleine Makel an den Früchten sind kein Problem, wenn die KundInnen um die pestizidfreie Produktion wissen. Fast alle Befragten wünschen sich eine verbesserte Information zu den Produktionsbedingungen.
Im Obstgarten und in der kleinen Baumschule von Helmut Müller und Monika Bühler fühlt man sich wie im Paradies. Hier gedeihen mehr als 380 Apfelsorten, mehr als 120 Birnensorten, mehr als 60 Zwetschgen- und Pflaumensorten sowie Kirschen und Trauben. Helmut und Monika kultivieren viele, auch sehr seltene Sorten. Die Früchte werden direkt ab Hof verkauft: Als Tafelobst oder in Form von Most und Cidre, der auch von Bioläden vertrieben wird. Cidre aus ihren Äpfeln hat es sogar zu Weltberühmtheit gebracht. Der Thurgauer Landwirtschaftsbetrieb setzt seit 30 Jahren auf biologische Produktion und generiert auf einer Fläche von lediglich 10 Hektaren ohne sogenannte «Intensivkulturen» genug Einkommen für den Vollerwerbsbetrieb. Und dies trotz den bescheidenen Preisen, zu denen Monika und Helmut ihre hochwertigen Bioprodukte verkaufen.
Wir setzen ganz auf Obst. Unser gesamtes Sortiment wächst auf starkwüchsigen, langlebigen Bäumen. Der Obstgarten besteht aus 600 richtig grossen Hochstämmen. Unsere enorme Sortenvielfalt hilft uns, Krankheiten und Schadorganismen in Schach zu halten, so dass wir lediglich im Frühjahr 2 bis 3 unterstützende Behandlungen mit im Biolandbau erlaubten biologischen Präparaten vornehmen. Wir verwenden nur im Biolandbau erlaubte Fungizide, keine Insektizide und selbstverständlich keine Herbizide.
Welche Wirkstoffe setzt Du noch ein und wann? Im 2017 habe ich bei Äpfeln und Birnen zwei Spritzungen mit Schwefelpulver durchgeführt, dieses Jahr werden es maximal drei sein, weil es mehr Blüten hat. Ich setze Schwefelpulver sehr sparsam ein, und komme auf 0,8 Kilogramm reiner Schwefel pro Hektare, was sehr wenig ist.
Schwefel wirkt gegen Pilze, wann spritzt Du? Etwa zwei Wochen vor der Blüte das erste Mal, dann kurz nach dem Abblühen zusammen mit einem Braunalgenpräparat das zweite Mal und dann Anfangs Juni nochmals Schwefel mit dem Algenpräparat, das den Baum zur Fruchtbildung anregt. Nachdem sich die Früchte bilden, spritze ich nichts mehr. Ich werde irgendwann vollständig auf Pestizide – auch natürliche – verzichten können.
Was braucht es noch, damit das bei Dir möglich ist? Ich habe noch einige Apfel-Sorten im Anbau, die entweder etwas krankheitsanfällig sind, oder dann sehr unter den Veränderungen durch den Klimawandel leiden. Beispielsweise Glockenapfel, Goldparmäne und Gravensteiner. Sie machen ca. 30% meiner Tafelobsternte aus. Wenn ich diese Bäume nicht mit Schwefel spritze, gibt es davon kein Tafelobst, für Mostereizwecke reicht das aber schon. Aber wir beobachten intensiv und wissen, welche Sorten robust gegen Krankheiten und Schädlinge sind. Ich denke, in zirka 5 Jahren werde ich auch diese Bäume mit nicht-anfälligen Sorten ersetzt haben. Eine Jungpflanzung beinhaltet bereits rund 100 sehr vielversprechende Sorten.
Du brauchst kein Kupfer mehr, obwohl es ja im Biolandbau als Fungizid noch erlaubt wäre? Auf Äpfel und Birnen gar nicht. Auf den Kirschen, abhängig vom Vorjahresbefall, spritze ich gegen Schrotschuss 50 Gramm reines Kupfer pro Hektare, das ist auch sehr wenig, aber gerne würde ich auch darauf verzichten. Ich erprobe derzeit verschiedene Kirschensorten, in der Hoffnung, einige zu finden, die nicht anfällig sind.
Der Klimawandel scheint Dir zu helfen, weniger Pestizide einzusetzen Ja, der Regen ist heute anders verteilt als früher, und ich wähle Sorten aus, die nur wenig krankheitsanfällig sind. Bei diesen stellt der Schorf kein Problem dar. Meine Bäumchen ziehe ich selber nach, das heisst, ich habe damit Pflanzen, die an meinen Standort bestens angepasst sind. Und durch die Sortenvielfalt reduziere ich das Risiko eines totalen Ertragsausfalles oder epidemischer Krankheitsausbreitung. Andererseits bringen die deutlich höheren Temperaturen wieder neue, bisher unbekannte Krankheiten und Schädlinge ins Land (z. B. Marssonina und Blausieb). Es gibt einige Obstsorten, die mit diesen Veränderungen nicht mehr klarkommen. Apropos Klimawandel und Wasser: Der sorgsame Umgang mit Wasser ist uns ein wichtiges Anliegen. In unterirdischen Zisternen sammeln wir bis zu 100 Kubikmeter Dachwasser unserer Gebäude und decken damit den Wasserbedarf unserer Jungpflanzen. Auch das Wasser aus der Mosterei wird in Trockenperioden nochmals verwendet.
Wie schaffst du es, mit so wenig Spritzmitteln auszukommen? Unsere Hochstammbäume sind langlebig und kräftig, sie wurzeln tief, holen sich also Wasser und Nähstoffe selbst, sie sind gesund. Den Boden habe ich seit 9 Jahren nicht mehr gedüngt. Er ist sehr aktiv, das ist wichtig für die Gesundheit der Pflanzen. Da wir nicht für den Grosshandel produzieren, können wir unsere Früchte an den Bäumen voll ausreifen lassen und unseren Kunden vollaromatisches und bekömmliches Obst anbieten. Kleine optische Makel sind überhaupt kein Problem. Und wie hältst Du einen möglichen Befall von Insekten in Grenzen? Durch die enorme Vielfalt sind Schadinsekten kaum ein Problem, und wenn, so beschränken sich die Ausfälle auf einzelne Sorten oder Bäume. Natürlich fördern wir Nützlinge auf verschiedenen Ebenen (Bienen, Wildbienen, Hecken, blühende Stauden, 100 Nistkästen etc.). Ich mähe die Wiesen zwischen den Bäumen gestaffelt, so hat es immer Streifen, die blühen und solche, die geerntet werden. Heu und Emd nutze ich für unsere Ziegen, verkaufe es oder nutze es als Mulch zur Bodenbelebung. Wegen der gefürchteten Kirschessigfliege bevorzuge ich frühe Sorten beim Steinobst.
Und die Gretchenfrage: lohnt sich euer Betriebskonzept für euch finanziell? Wir sind schuldenfrei, das ist uns sehr wichtig. Ausserdem geht es uns nicht darum, möglichst viel Tafelobst zu produzieren. Was sich eignet, ernten wir für den Verkauf von Tafelobst ab Hof, das entspricht etwa einem Viertel der Ernte. Aus dem Rest produzieren wir Süssmost, und Cidre, den wir ebenfalls zu einem guten Preis verkaufen, teilweise zum Selber-Abfüllen ab Fass.
Wie hoch sind eure jährlichen Einnahmen? Wir erzielen in guten Jahren einen maximalen Umsatz von zirka 100'000 Franken, davon sind jährlich 38'000 Franken Direktzahlungen. Diese decken die Kosten für Versicherungen, den Unterhalt der Maschinen, Amortisationen, Wasser und Strom. Wir halten die Betriebskosten möglichst tief und so reicht es gut. Durchschnittlich versteuern wir ca. 50 bis 60'000 Franken landwirtschaftliches Einkommen pro Jahr, darin inbegriffen sind die Mieteinnahmen für das Wohnhaus nebendran. In schlechten Jahren wie 2017 - da hatten wir schwere Frostschäden - müssen wir die Reserven anzapfen. Wir verkaufen unsere Äpfel ab Hof zu 2 oder 1 Franken pro Kilo – je nach «Schönheit». Jeder Mensch sollte sich Bio-Äpfel leisten können, das ist unser Credo. Und Jacques Perritaz produziert exklusiv aus unseren Äpfeln einen Cidre, der um die Welt geht - es ist momentan das «hipe» Getränk bei New Yorks Schickeria. Der «Premier Emois» wird in 19 Länder exportiert! Das ist eine Anerkennung, die mit Geld nicht aufzuwiegen ist.
Dieses wirtschaftliche Modell ist gut für euch? Ja sicher, wir haben keine Löhne zu bezahlen, machen keine teuren Investitionen und produzieren sehr günstig. Reparaturen und Renovationen führen wir meist selbst aus. Das läuft seit vier Generationen so, seit 130 Jahren. Wir sind einfach zufrieden.
Wie sieht eure Zukunft aus? Wir sind im Gespräch mit einem potentiellen Nachfolger - ich werde ja bald 60 – es sieht gut aus. Die Arbeit und die Freude gehen uns nicht aus - was will man mehr!
Betriebsspiegel
Helmut Müller und Monika Bühler, Stocken 14, 9315 Neukirch, www.bio-obst.ch
10 Hektaren Wiesland mit rund 600 Hochstammbäumen und 500 weiteren Bäumen in einem Zuchtareal, auf dem die Bäume trotz starken Wuchses klein gehalten werden
2 Familienarbeitskräfte
8 Ziegen, 5 Hühner, 6 Bienenvölker
2 Traktoren (40 Jahre alt)
Mosterei mit stromunabhängigen Wasserpressen und einer Kapazität von 500 Kilo pro Stunde: Produktion von jährlich etwa 14'000 Liter Most und 2'000 Liter Cidre (je nach Ernte und Jahr) – die Produktion ist aufgrund hoher Nachfrage stark steigend.
direkter Vertrieb über Hofladen und ausgewählte Bioläden
Aus den Äpfeln von Monika und Helmut werden u.a. Cidre hergestellt, z.B. den spritzig süssen, aromatischen «Premiers Emois» oder den leicht trockenen «Raw Boskoop». Vertrieb weltweit durch: www.cidrelevulcain.ch. Oder den Cidre von ZOBO, handgefertigt nach englischer Methode, Vertrieb direkt über www.zobo-getraenke.ch.
Auf dieser Internet-Seite hat Helmut Müller sehr viel Wissen über Hochstammobst gesammelt: www.hochstammobst.ch
Interview und Bilder: Fausta Borsani
------------------------------------------------ Dass eine sehr naturnahe, extensive Produktion von Hochstamm-Tafelobst wirtschaftlich lohnend ist, auch im Vergleich mit dem Intensiv-Obstanbau, bestätigen Zahlen der kürzlich durch die IG Kulturlandschaft initiierte und betreute Untersuchung "Wirtschaftlichkeit einer pestizidfreien Hochstamm-Obstproduktion".
Bisher war kaum bekannt, dass der Vizedirektor der Bauernverbandes, Urs Schneider, im Verwaltungsrat der Raiffeisenbank sitzt. In einer Randspalte wehrt sich die "Bauerzeitung", das Hausblatt des Schweizer Bauernverbandes SBV, gegen die Vorwürfe, die nun von einem Landwirt an die Adresse Schneiders in die Medien gebracht wurden. Alles gehe komplett mit rechten Dingen zu, Schneider mache das vor allem in seiner Freizeit und während seiner Ferien.
Die Raiffeisen hilft mit ihren Krediten (mit staatlicher Unterstützung bzw. Sicherheit notabene) wesentlich mit, die Bäuerinnen und Bauern in die (auch im weltweiten Vergleich einmalig hohe) Verschuldung und in eine immer extremere Abhängigkeit von einer überintensiven Produktion zu treiben. Was dann wiederum direkt der Industrie zugute kommt. Beispiel Hühner-, Schweine- oder die nicht mehr bodenabhängige Milchproduktion, die zur Überproduktion mit Preiszerfall geführt hat. Ohne die enormen Bankkredite von Instituten wie der Raiffeisen wäre diese Entwicklung nicht möglich gewesen. Das Beispiel Urs Schneider zeigt einmal mehr die äusserst enge Verbandelung der vorgelagerten Branchen mit dem Bauernverband.
Wann merken die Bauern, dass "ihr" Bauernverband über weite Strecken die Interessen anderer Branchen als ihre eigenen vertritt?
Die Schweizer Milchbranche leidet unter jahrelangen Fehlentscheidungen. Nach Aufhebung der Milchkontingentierung hat sich die Mehrheit der Betriebe für eine starke Ausdehnung der Milchproduktion mithilfe von immer mehr Kraftfutter entschieden. Neben Umweltschäden verursachte diese Strategie auch einen Zusammenbruch des Milchpreises. Statt das Problem an der Wurzel zu packen und den Kraftfuttereinsatz zu reduzieren soll nun der Konsument freiwillig mehr für Schweizer Milch bezahlen. Ob die Rechnung aufgeht? >> Mehr im Artikel im Doppelpunkt
Schweizer Bauern gehören zur Berufsgruppe mit der höchsten Selbstmordrate. Ein ausführlicher Artikel über die soziale Situation auf Schweizer Bauernhöfen und mögliche Wege aus der Krise. >> Zum Artikel im Tages-Anzeiger Magazin (pdf)
Mit «Di fair Milch Säuliamt» beschreiten die Milchbauern im Südwesten des Kantons Zürich einen neuen Weg für einen höheren Milchpreis. Sie vermarkten ihre eigene, regional verarbeitete Milch selber. Die Landi Albis nimmt ihre Milch in ihren 11 Volg-Läden ins Sortiment auf. Die Bauern erhalten zwischen 75 bis 80 Rappen je Kilo. Das ist gut 20 Rappen mehr als derzeit üblich, und fast so viel wie für Bio-Milch.
Ein mutiger Weg. Ob die Rechnung aufgeht, ist fraglich, denn einen eigentlichen Mehrwert bietet die Milch nicht. Nicht einmal die Bundesanforderungen der Graslandbasierten Milch- und Fleisch-Produktion (GMF) müssen die Produzenten einhalten.
Die Diskussion um die intensive Milchproduktion mit immer höheren Milchleistungen, immer mehr importiertem Kraftfuttereinsatz und immer mehr Schäden an der Umwelt ist mittlerweile auch bei den Konsumenten angekommen. "Di fair Milch Säuliamt" gibt darauf jedenfalls keine Antwort.
Die Schweizer Landwirtschaft lebt immer mehr auf Pump. Die Höfe der Schweiz sind im Durchschnitt mit fast 30'000 Franken verschuldet - pro Hektare. Das ist deutlich mehr als in fast allen anderen europäischen Ländern. Der Bund trägt daran eine wesentliche Mitverantwortung, fördert er doch die Verschuldung aktiv mit einer Vielzahl an "Unterstützungsinstrumenten" - von zinslosen Darlehen, über milliardenschwere Pauschalzahlungen bis hin zu erheblichen landwirtschaftsspezifischen Steuererleichterungen. Das Resultat sind vielfach massiv überteuerte Produktionsstrukturen, die nicht nur das Einkommen der Landwirte letztlich schmälern, sondern eine ineffiziente, oft umweltschädliche Produktion zur Folge haben.
Die Landwirtschaft geniesst zahlreiche steuerliche Sonderprivilegien. Viele davon - beispielsweise die Befreiung von den Treibstoffsteuern - verzerren wirtschaftliche Realitäten, geben Fehlanreize für wenig umweltfreundliche Bewirtschaftungsweisen oder verführen zu unrentablen Investitionen.
Zu den stossenden, wirtschaftlich kontraproduktiven Privilegien gehört auch die stark reduzierte Besteuerung des landwirtschaftlichen Wohneigentums. Diese Sonderregelung soll nun fallen, wie der Tages-Anzeiger in einer ausführlichen Berichterstattung aufzeigt. Vision Landwirtschaft hat die Anpassung in einer Vernehmlassungsantwort unterstützt.
Der Bauernverband SBV dagegen wehrt sich reflexartig mit Händen und Füssen. Erst ein Jahr ist es her, als der Verband durch seinen erfolglosen Kampf für die Beibehaltung der privilegierten Baulandbesteuerung der Landwirtschaft einen immensen Imageschaden zugefügt hatte.
Was Vision Landwirtschaft 2016 in einem Faktenblatt aufgezeigt hat, bestätigte jetzt Agroscope mit detaillierten Betriebsanalysen: Milchproduktion könnte auf vielen Schweizer Betrieben deutlich effizienter, umweltschonender und rentabler betrieben werden, wenn weniger Kraftfutter gefüttert und die Weidehaltung ausgebaut würde. Dazu eignen sich aber die Hochleistungsrassen wenig. Dies ist mit ein Grund, warum erst eine kleine Minderheit von Bauern auf diese Weise Milch produziert. ECO berichtet in einem Beitrag über die Bemühungen, einen "neue Schweizer Kuh" zu züchten.
Ein Streitgespräch zwischen Mathias Binswanger, Professor an der Fachhochschule Nordwestschweiz, und Andreas Bosshard, Geschäftsführer von Vision Landwirtschaft.
Das Schweizer Marktmonopol der Fenaco im Agrarbereich ist zweischneidig und wird immer wieder heftig kritisiert. Trägt der Konzern, zu dem mittlerweile über 80 Firmen gehören, zu einer teuren, wirtschaftlich wenig effizienten Schweizer Landwirtschaft bei? Oder handelt der Agrarriese mit einem laufend steigenden Umsatz von heute fast 6 Milliarden Franken im Sinne seiner "Besitzer", der Bauern? Der Artikel in der Südostschweiz setzt sich mit diesen Fragen auseinander. >> Zum Artikel (pdf)
In der Schweiz wären alle Voraussetzungen erfüllt, um Milch nachhaltig und von besonderer Qualität zu produzieren. Doch die Entwicklung läuft seit Jahren in die gegenteilige Richtung: Immer höhere Milchleistungen mit immer grösseren Kraftfutterimporten aus dem Ausland. Das Resultat: Umweltprobleme, ein tiefer Milchpreis und zu hohe Produktionskosten. Eine schlechtere Strategie für die Milchbauern und die Umwelt ist schwer vorstellbar. Dafür steigen die Umsätze der Futtermittelhändler und die Margen des Handels. Die Handelszeitung leuchtet die absurde Entwicklung aus. >> pdf
In einem bisher wenig beachteten Bericht hat der Bundesrat u.a. das Stützungsniveau der Landwirtschaft in verschiedenen Ländern verglichen. Vision Landwirtschaft hat den Bericht analysiert und wirft dem Bundesrat in einem Beitrag der NZZ irreführende Zahlenakrobatik vor. Im Vergleich mit der EU sei die Stützung 10 Mal höher und nicht nur um den Faktor 3, wie der Bundesrat schreibt. Verglichen mit den USA oder Kanada sei die Stützung sogar 53-77 Mal höher.
Das zu viele staatliche Geld im System sei für viele Probleme der Schweizer Landwirtschaft und die seit Jahren fehlende Erreichung agrarpolitischer Ziele wesentlich mitverantwortlich.
Die enorm hohe Agrarstützung in der Schweiz hat die Wertschöpfung und Eigenwirtschaftlichkeit der heimischen Landwirtschaft zunichte gemacht. Darauf weisen Zahlen von Vision Landwirtschaft hin. Eine in der NZZ thematisierte Analyse der Denkwerkstatt zeigt, dass die Schweizer Landwirtschaft aus ihrer Produktion heute 1 Milliarden Franken Defizit generiert.
Dieser Wert liegt drei Milliarden Franken tiefer als die offiziell ausgewiesene Wertschöpfung. Grund: Der Bund klammert den Grenzschutz aus und präsentiert so ein stark beschönigendes Bild. Die dramatische wirtschaftliche Situation der Schweizer Landwirtschaft mit ihrer laufend sinkenden Wertschöpfung ist eine direkte Folge der zu hohen staatlichen Stützung. Fehlanreize führen zu einer überteuerten, überintensiven Produktion, die zugleich hohe Umweltschäden verursacht.
Fütterungsmaschinen für Rinder, Drohnen, die automatisiert Pestizide ausbringen, Unkräuter jätende Roboter - "Smart Farming" verheisst der Landwirtschaft neue Perspektiven. Eine Tagung an der Agroscope zeigte, was heute alles denkbar ist. Ob die neue Technik den Bauern zu mehr Wertschöpfung und Nachhaltigkeit verhelfen wird, oder die Landwirtschaft noch teurer und unwirtschaftlicher macht, wird die Zukunft weisen. Euphorie wäre jedenfalls verfrüht. Vision Landwirtschaft plädiert in der NZZ für Zurückhaltung. Es sei die Entscheidung jedes Bauern, ob der seine Arbeit und Wertschöpfung noch weiter an die Industrie abtreten wolle.
Die Wertschöpfung der Schweizer Landwirtschaft bildet im weltweiten Vergleich ein Schlusslicht. Gemäss Zahlen im neuen Agrarbericht hat sie 2015 im Vergleich zum Vorjahr um 15% auf 1,8 Milliarden Franken abgenommen. Doch die Zahlen des Bundes zeigen nur einen Teil der Realität, da sie die Preisstützung als Wertschöpfung verbuchen. Vision Landwirtschaft hat die tatsächliche Wertschöpfung berechnet. Diese hat sich weiter verschlechtert von minus 1,5 Milliarden Franken im Jahr 2014 auf neu minus 2,3 Milliarden Franken.
(VL) Am Dienstag ist der neuste Agrarbericht erschienen. Das Landwirtschaftsjahr 2015 war durchzogen – insbesondere im Vergleich mit dem guten Jahr 2014. Die offizielle landwirtschaftliche Gesamtrechnung des Bundesamts für Statistik (BFS) weist einen Gesamtproduktionswert von 10,1 Milliarden Franken (6%) und eine Nettowertschöpfung von 1,8 Milliarden Franken (15%) aus. Die vom BFS berechnete Wertschöpfung lag damit rund 300 Millionen Franken tiefer als im Vorjahr. Als Gründe für den Rückgang nennt die eidgenössische Forschungsanstalt Agroscope tiefere Preise für Milch und Schweinefleisch sowie tiefere Erträge im Pflanzenbau durch die Trockenheit im Sommer.
Diese Zahlen widerspiegeln aber nur einen Teil der wirtschaftlichen Realität. Die Produktion wird zu den stark gestützten Inlandpreisen bewertet. Die Preisstützung durch die Konsumenten und Steuerzahler wird somit als Wertschöpfung der Landwirtschaft ausgewiesen. Dadurch wird der Beitrag der Landwirtschaft an die Volkswirtschaft stark überhöht. Hingegen vernachlässigt die Gesamtrechnung die Leistungen der Landwirtschaft für die Gesellschaft ebenso wie die externen Kosten durch Umweltbelastungen. Aus diesem Grund hat Vision Landwirtschaft in Anlehnung an die Methodik der OECD bereits für das Jahr 2014 eine Reihe neuer Kennziffern definiert und berechnet (s. Faktenblatt 6). Diese Berechnungen wurden nun für das Jahr 2015 fortgeführt.
Tatsächliche Wertschöpfung sinkt um 800 Millionen Franken
Der Wert der landwirtschaftlichen Erzeugnisse, zu europäischen Preisen bewertet, sank 2015 gegenüber dem Vorjahr um 1,2 Milliarden Franken (19%). Für die Schweizer Produkte, die dank Grenzschutz innerhalb der Schweiz 10,1 Milliarden Franken wert waren, hätten ausländische Abnehmer noch 5,5 Milliarden Franken bezahlt. Grund für den Rückgang ist auch die Aufhebung des Mindestkurses von 1.20 Franken pro Euro durch die Nationalbank im Januar 2015. Gemäss den Zahlen der OECD waren die Produzentenpreise in der Schweiz im Mittel um 85% höher als im umliegenden Ausland (im Vorjahr 59%). So gross war die Preisdifferenz zum Ausland letztmals vor zehn Jahren.
Die effektiven gemeinwirtschaftlichen Leistungen der Landwirtschaft haben sich um 200 Millionen Franken erhöht. Sie liegen neu bei 1,4 Milliarden (+16%). Den grössten Beitrag zu dieser positiven Veränderung leistete die Zunahme der Alpungsbeiträge (+96 Millionen) und der Landschaftsqualitätsbeiträge (+55 Mio.) zulasten der nicht an Leistungen gebundenen Übergangsbeiträge. Doch die Landwirtschaft erbringt nicht nur gesellschaftliche Leistungen, sondern verursacht auch externe Kosten, die von der Allgemeinheit getragen werden. Es gibt keine Hinweise darauf, dass sich diese Kosten wesentlich geändert haben, weshalb weiterhin vom Wert des Vorjahres von 0,9 Milliarden Franken ausgegangen werden kann.
Aufgrund dieser Zahlen liegt die „multifunktionale Nettowertschöpfung“ der Schweizer Landwirtschaft – also die Nettowertschöpfung unter Einbezug der gemeinwirtschaftlichen Leistungen – tief im roten Bereich, bei minus 2,3 Milliarden Franken. Der Wert ergibt sich aus dem Marktwert der produzierten Güter (5,5 Milliarden Franken) und den gemeinwirtschaftlichen Leistungen (1,4 Milliarden Franken), abzüglich der externen Kosten (0,9 Milliarden Franken), der Vorleistungen (zugekaufte Produktionsmittel für 6,2 Milliarden Franken) und der Abschreibungen (2,0 Milliarden Franken). Die Nettowertschöpfung liegt nochmals 800 Millionen Franken tiefer als im Vorjahr.
Stützung durch Konsumenten steigt um 800 Millionen Franken
Die grössere Preisdifferenz zum Ausland bedeutet auch, dass die Stützung der Landwirtschaft durch die Konsumenten im Jahr 2015 stark anstieg. Gemäss den Zahlen der OECD belief sich diese Stützung auf 4,4 Milliarden Franken (Vorjahr: 3,6). Die gesamte Stützung der Landwirtschaft im Jahr 2015 – also einschliesslich der Ausgaben des Bundes, die durch die Steuerzahler finanziert werden – betrug 8,2 Milliarden Franken (Vorjahr: 7,4). Die indirekte Stützung durch den Grenzschutz übersteigt also die direkte, im Bundesbudget ausgewiesene Stützung. Allerdings sind nicht die ganzen 8,2 Milliarden Franken, welche die OECD nennt, Subventionen im eigentlichen Sinn (Zahlungen ohne Gegenleistung). Ein Teil davon sind Zahlungen für effektive gemeinwirtschaftliche Leistungen sowie für Leistungen der Verwaltung. Werden diese Leistungen von der Zahl der OECD subtrahiert und die externen Kosten (als weitere indirekte Stützung) addiert, ergibt sich der Wert der Stützung ohne Gegenleistung. Diese hat sich im Jahr 2015 gegenüber dem Vorjahr von 6,8 auf 7,4 Milliarden Franken erhöht (+8,4%).
Entsprechend der Zunahme der gemeinwirtschaftlichen Leistungen erhöhte sich auch der Anteil der Leistungszahlungen im Verhältnis zu den Ausgaben des Bundes für die Landwirtschaft. Von den Direktzahlungen (2,8 Milliarden Franken) waren im Jahr 2015 48% Zahlungen für gemeinwirtschaftliche Leistungen (im Vorjahr 43%). Innerhalb des gesamten landwirtschaftlichen Zahlungsrahmen (3,4 Milliarden Franken) waren 42% Zahlungen für gemeinwirtschaftliche Leistungen, für den ganzen Ausgabenbereich Landwirtschaft und Ernährung (3,7 Milliarden Franken) waren es 43%.Insgesamt sind aber nach wie vor mehr als die Hälfte der Ausgaben des Bundes für den Sektor Landwirtschaft verschiedene Formen von Stützung ohne Gegenleistung.
Landwirtschaft verliert, Industrie gewinnt
Die Zahlen zeigen, dass sich die reale wirtschaftliche Situation der Schweizer Landwirtschaft weiter verschlechtert hat – und dies weitgehend unbemerkt, da der Bund in seinen Zahlen nur einen Teil der wirtschaftlichen Realität der Landwirtschaft abbildet und damit einen geschönten Eindruck vermittelt. Tatsächlich ist die Wertschöpfung der Schweizer Landwirtschaft stark negativ und auch im internationalen Vergleich äusserst besorgniserregend. Dabei verschlechtert sich die Situation als Folge einer problematischen Agrarpolitik weiter. An einer landwirtschaftlichen Wertschöpfung im tief negativen Bereich wird sich in den nächsten Jahren ohne weitergehende Reform der Agrarpolitik nichts ändern: Die negative Wertschöpfung ist Ausdruck einer viel zu intensiv produzierenden Landwirtschaft. Ihre enorm hohen Vorleistungen beispielsweise an Maschinen, Futtermittel oder Energie verursachen deutlich höhere Kosten, als über die gesteigerte Produktionsmenge an zusätzlichen Erlösen eingenommen werden kann.
Direkte Ursache für die überintensive Landwirtschaft und ihre wirtschaftlich katastrophale Wertschöpfungssituation sind verschiedene direkte und indirekte Produktionsanreize. Dazu gehören die Beiträge pro Kilogramm Milch, pro Hektare Zuckerrüben, pro Tonne Zucker oder pro Tonne Treibstoff, aber ebenso die Pauschalzahlungen, über die unter dem Titel „Versorgungssicherheit“ und „Kulturlandschaftsbeiträge“ jährlich rund 1,5 Milliarden Franken ausgeschüttet werden. Diese gegenüber dem Ausland 5-10 Mal höheren Beiträge schwächen die Schweizer Landwirtschaft in existenziellem Masse. Profiteure sind allein die vor- und nachgelagerten Industrien. Während die Wertschöpfung der Landwirtschaft zwischen 2014 und 2015 weiter massiv an Boden verloren hat, konnte im selben Zeitraum allein der Landwirtschaftskonzern Fenaco seinen Gewinn um 65% auf 96 Millionen Franken steigern.
Fazit
Der Bund kommt mit seiner Methodik der landwirtschaftlichen Gesamtrechnung zu stark geschönten Resultaten was die Wirtschaftskraft der Landwirtschaft anbelangt, da er die von den Steuerzahlern und Konsumenten getragenen Preisstützungen der Wertschöpfung zurechnet. Wird diese Aufblähung korrigiert, so nahm die bereits vor einem Jahr im negativen Bereich liegende Wertschöpfung um eine weitere Milliarde ab und liegt nun bei minus 2,3 Milliarden Franken. Gleichzeitig erhöhten sich die Subventionen ohne Gegenleistung zwischen 2014 und 2015 von 6,8 auf 7,4 Milliarden Franken.
Eine realitätsnahe, ungeschönte Einschätzung der wirtschaftlichen Situation der Landwirtschaft ist unumgänglich, um die richtigen agrarpolitischen Schlüsse zu ziehen im Hinblick auf eine wieder zukunftsfähige Landwirtschaft.
Berechnungsgrundlagen
Die Zahlengrundlagen sind offizielle Statistiken des Bundesamts für Statistik (BFS), des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Für die Bewertung der gemeinwirtschaftlichen Leistungen und der externen Effekte wurden zusätzliche Quellen herangezogen. Die Methodik ist im Faktenblatt 6 von Vision Landwirtschaft detailliert beschrieben. Die wirtschaftlichen Kennzahlen 2010-2015 gehen aus einer Detail-Zusammenstellung (Siehe Excel rechte Spalte) hervor.
Vergleich von Hochleistungsstrategie und Vollweide mit geringem Kraftfuttereinsatz
Mehrere Studien zeigten in den letzten Jahren, dass sich Einkommen und Stundenlöhne auf Schweizer Milchwirtschaftsbetrieben durch eine Reduktion der Produktionskosten wesentlich verbessern lassen. Wichtige Möglichkeiten zur Kostenreduktion bestehen einerseits in der Reduktion des Kraftfuttereinsatzes und andererseits in der Nutzung von Weidesystemen anstelle der aufwändigen Stallfütterung.
Der Grossteil der Milchbetriebe in der Schweiz setzt heute auf eine Hochleistungsstrategie mit Stallhaltung und wesentlichem Kraftfuttereinsatz. Im vorliegenden Faktenblatt werden die Einkommensverbesserungspotenziale und die wichtigsten Umweltwirkungen untersucht, welche aus einer Umstellung auf weidebetonte Haltung in Kombination mit einem weitgehenden Verzicht auf Kraftfutter resultieren. Basis der Berechnungen bilden Studien, welche verschiedene Milchproduktionsstrategien empirisch miteinander verglichen.
Der Bund beziffert die Wertschöpfung der Schweizer Landwirtschaft auf 2,2 Milliarden Franken. Doch die Zahl ist irreführend, weil weder der Grenzschutz noch die erbrachten gemeinwirtschaftlichen Leistungen der Landwirtschaft mitberücksichtigt sind. In einer neuen Studie fordert VL eine realitätsbezogene Berechnung. Die sich daraus ergebende Differenz zu den offiziellen Zahlen beträgt über 3 Milliarden Franken. Daraus ergibt sich weitgehender Korrekturbedarf auch für die Agrarpolitik.
Wie hoch ist die Wertschöpfung der Schweizer Landwirtschaft? Sie wird in der landwirtschaftlichen Gesamtrechnung des Bundes mit 2,2 Milliarden Franken angegeben. Doch die Zahl ist irreführend und verwischt die reale wirtschaftliche Situation der Landwirtschaft, weil weder der Grenzschutz noch die erbrachten gemeinwirtschaftlichen Leistungen der Landwirtschaft mitberücksichtigt sind. Eine neue Studie zeigt, wie eine realitätsbezogene Berechnung, basierend auf Zahlen von Bund und OECD, aussehen müsste. Die Differenz zu den offiziellen Zahlen beträgt über 3 Milliarden Franken.
(VL) Die landwirtschaftliche Wertschöpfung hat in agrarpolitischen Debatten einen hohen Stellenwert. Im erläuternden Bericht des Bundesrats zur laufenden Agrarpolitik 2014–17 kommt der Begriff "Wertschöpfung" 58 Mal vor. Die Wertschöpfung wird in der landwirtschaftlichen Gesamtrechnung des Bundes berechnet als Produktionswert minus Vorleistungen minus Abschreibungen gleich Nettowertschöpfung.
1. Wert der gemeinwirtschaftlichen Leistungen nicht miteinbezogen
Die Landwirtschaft erbringt nicht nur über die Produktion von Nahrungsmitteln Wertschöpfung, sondern auch über die Produktion von nicht marktfähigen Gütern, die als gemeinwirtschaftliche Leistungen bezeichnet werden – beispielsweise die Versorgungssicherheit, eine attraktive Landschaft oder die Förderung der Biodiversität. In der landwirtschaftlichen Gesamtrechnung wird der Wert der gemeinwirtschaftlichen Leistungen aber schlicht ausgeblendet.
Ihr Wert kann näherungsweise anhand der dafür ausgerichteten Direktzahlungen bestimmt werden. Vision Landwirtschaft hat in ihrer Studie diese Bewertung vorgenommen und die einzelnen Direktzahlungskomponenten in Bezug auf die daraus resultierenden gemeinwirtschaftlichen Leistungen beurteilt. 43% der Direktzahlungen gemäss Agrarpolitik 2014-17 gelten demnach gemeinwirtschaftliche Leistungen ab, die übrigen Direktzahlungen haben den Charakter einer Einkommensstützung, der keine Wertschöpfung gegenübersteht.
2. Grenzschutz ausgeblendet
In der Gesamtrechnung des Bundes wird die Wertschöpfung aus der Nahrungsmittelproduktion anhand der am Markt gelösten Preise berechnet. Die Marktpreise sind jedoch wenig aussagekräftig, weil sie durch den staatlichen Grenzschutz in der Schweiz künstlich stark erhöht werden. Die Differenz bezahlt der Konsument. Der Preisunterschied von rund 50% gemäss OECD muss in der Berechnung der Wertschöpfung berücksichtigt werden. Der Bund blendete dies in seiner Berechnung bisher jedoch aus.
3. Weitere Stützungen und Kosten nicht miteinbezogen
Wenn korrekterweise die Umweltleistungen miteinbezogen werden, müssen zumindest die wichtigsten, bezifferbaren Umweltkosten der Landwirtschaft ebenfalls mitberücksichtigt werden. Dazu gehören die Treibhausgas- und Ammoniak-Emissionen. Sie belaufen sich auf 0,9 Milliarden Franken gemäss den von der OECD angegebenen Emissionsmengen.
Korrekt berechnete Wertschöpfung: Massive Differenz zur Angabe des Bundes
Wie sieht die landwirtschaftliche Wertschöpfung aus, wenn die genannten Korrekturen vorgenommen werden?
2014 betrug der Produktionswert der Schweizer Landwirtschaft gemäss Bundesamt für Statistik 10,7 Milliarden Franken. Nach Abzug des Grenzschutzes bleibt ein Produktionswert von 7,2 Milliarden Franken. Die Direktzahlungen, die tatsächlich nichtmarktfähige Güter abgelten, belaufen sich nach Abschätzungen von Vision Landwirtschaft auf 1,2 der insgesamt 2,8 Milliarden Franken. Einschliesslich der nicht marktfähigen Güter ergibt sich ein Produktionswert der Schweizer Landwirtschaft von 8,4 Milliarden Franken.
Davon sind die Vorleistungen und Abschreibungen abzuziehen. Sie belaufen sich gemäss Bundesamt für Statistik auf total 8,5 Milliarden Franken (Vorleistungen: 6,4 Mia Fr., Abschreibungen 2,1 Mia Fr.). Ohne Berücksichtigung der Umweltkosten ergibt sich somit eine Nettowertschöpfung von minus 0,1 Milliarden Franken. Werden die Umweltkosten (externe Kosten der Produktion) von 0,9 Milliarden wie die übrigen Produktionskosten subtrahiert, so bleibt unter dem Strich eine Nettowertschöpfung der Schweizer Landwirtschaft von minus 1 Milliarde Franken. Das sind 3,2 Milliarden weniger als die in der offiziellen Statistik des Bundes ausgewiesene Wertschöpfung von 2,2 Milliarden Franken.
Heutige Berechnung führt zu falschen Schlüssen
Zahlen, die nur die halbe Wahrheit abbilden, wie das bei der offiziellen landwirtschaftlichen Gesamtrechnung der Fall ist, verleiten zu falschen Schlüssen und führen Politik und Öffentlichkeit in die Irre. So werden wirtschaftlich und ökologisch unsinnige, kostenintensive Produktionsweisen, die nur dank Schweizer Grenzschutz und Vernachlässigung der Umweltkosten wirtschaftlich überlebensfähig sind, durch staatliche Fehlanreize weiter unterstützt und gefördert. Auf der anderen Seite werden Landwirtschaftsbetriebe, die real eine gute Wertschöpfung erbringen mit nachhaltigen, kostengünstigen Produktionsweisen, von der Politik wirtschaftlich benachteiligt. Eine solche Politik schadet der Landwirtschaft langfristig enorm.
Tatsächlich sind die wirtschaftlichen Kennzahlen der Schweizer Landwirtschaft auch im internationalen Vergleich beängstigend schlecht. In kaum einem anderen Land erbringt die Landwirtschaft eine derart geringe Wertschöpfung als Folge zu teurer Vorleistungen und Betriebsstrukturen. Abnehmende staatliche Zahlungen – die derzeit 5-10 Mal so hoch sind wie im umliegenden Ausland – oder eine weitere Öffnung der Grenzen hätten für die einheimischen Betriebe katastrophale Folgen, da ein Grossteil nicht darauf vorbereitet wäre.
Die Agrarpolitik der letzten Jahrzehnte hat die Landwirtschaft in eine immense, nicht mit gemeinwirtschaftlichen Leistungen zu rechtfertigende Staatsabhängigkeit getrieben. Die Dimension dieser Abhängigkeit wird bis heute durch eine in hohem Masse unvollständige Landwirtschaftliche Gesamtrechnung weitgehend vernebelt. Nicht zuletzt deshalb dürften die dringend nötigen Schlussfolgerungen von der Politik noch nicht gezogen worden sein.
Eine der dringlichsten Forderungen, die sich aus einer ergänzten, korrekten landwirtschaftlichen Gesamtrechnung ergibt, ist die Abschaffung und Umlagerung der nicht leistungsbezogenen, teure Produktionsweisen fördernden Direktzahlungen. Mit der Agrarpolitik 2014-17 ist ein erster, allerdings noch sehr zaghafter Schritt in diese Richtung getan worden.
Wie hoch ist die Wertschöpfung der Schweizer Landwirtschaft? Sie wird in der landwirtschaftlichen Gesamtrechnung des Bundes mit 2,2 Milliarden Franken angegeben. Doch die Zahl ist irreführend und verwischt die reale wirtschaftliche Situation der Landwirtschaft, weil weder der Grenzschutz noch die erbrachten gemeinwirtschaftlichen Leistungen der Landwirtschaft mitberücksichtigt sind. Die konventionelle landwirtschaftliche Gesamtrechnung wird ihrem Namen nicht gerecht. Das neue Faktenblatt von Vision Landwirtschaft zeigt, wie eine realitätsbezogene Berechnung, basierend auf Zahlen von Bund und OECD, aussehen müsste. Die Differenz zu den offiziellen Zahlen beträgt über 3 Milliarden Franken. Ausserdem wird eine Reihe weiterer wirtschaftlicher Kennzahlen für die multifunktionale Schweizer Landwirtschaft vorgeschlagen und berechnet. Unter anderem Kennzahlen für den Anteil der Direktzahlungen, die Leistungen abgelten, für die Stützung der Landwirtschaft insgesamt (ohne die Zahlungen für Leistungen) sowie für die Höhe der wichtigsten Umweltkosten der Landwirtschaft.
L'agriculture suisse a atteint un nouveau record de production laitière 2014. Cette surproduction n'apporte presque que des perdants: producteurs, environnement, contribuables. Avec ses incitations perverses de subventions forfaitaires, l'État est largement responsable de cette situation. Pourtant l'Union suisse des paysans et le producteur laitiers demande encore plus de soutien financier. Un article dans Le Temps montre pourquoi cette politique fait fausse route.
Christophe Viret bewirtschaftet 45 ha Ackerbau und Wiesland oberhalb von Morges am Genfersee. Vor 20 Jahren einer der ersten, die auf pfluglose Bodenbearbeitung umstellten, praktiziert er heute diese anspruchsvolle Methode selbst mit Bio-Label erfolgreich. Dank tieferen Kosten und im Verbund mit weiteren innovativen Schritte konnte er seinen Hof aus der Schuldenfalle befreien und so die einst schmerzlich verlorene Autonomie wieder zurückgewinnen.
(ABe) Christophe Viret darf mit Genugtuung über seine fruchtbaren Felder blicken. Denn seit er den Milchwirtschafts-Ackerbaubetrieb von seinem Vater übernahm, hat sich viel verändert. Damals, frisch zurück aus der Landwirtschaftsschule, versuchte er voller guten Willens, das Gelernte auf seinem Hof anzuwenden. Doch schon bald stellte er fest, dass die konventionelle Bewirtschaftung seinen Feldern wenig angemessen war und nicht den gewünschten Ertrag brachte.
Am Beispiel eines Sonnenblumenfelds verdeutlicht er, was er damit meint: Um die Erträge auch nur halten, musste er Jahr für Jahr auf mehr auf Dünger und Pflanzenschutzmittel zurückgreifen. Bis er feststellte, dass Einkommen und Produktionskosten nicht mehr übereinstimmten. Bis die Verschuldung schliesslich das Überleben seines Betriebes in Frage stellte. Viret entschied sich für die pfluglose Bodenbearbeitung im Ackerbau. Mit diesem System konnte er einerseits Kosten sparen und damit das dringend benötigte Einkommen erhöhen. Er musste dadurch nicht mehr "nur für die Bezahlung der Betriebsmittel arbeiten. Man muss den Boden nachhaltig sich selbst überlassen, möglichst wenig intervenieren", ist Viret heute überzeugt. "Unkraut ist das Zeichen von Problemen der Struktur oder der Bodenbearbeitung, und nicht ein Problem, das untergepflügt oder totgespritzt werden muss. Die Erde braucht organische Substanzen, nicht die Pflugschare".
Christoph Viret entschied sich auch bei der Viehhaltung für einen in seiner Gegend damals alles andere als alltäglichen Schritt: Den Wechsel auf das Jersey-Rind. Keine Rasse liefert Milch mit einem höheren Gehalt an Proteinen und Fett. Dazu kommt die Eignung für eine relativ extensive Fütterung. Auch hier zeigten seine Berechnungen, dass es rentabler ist, seinen Viehbestand mit Futter aus der eigenen Betrieb zu füttern statt auf zugekauftes Futter und Futterzusätze zu setzen.
Da die Jersey-Milch etwas Besonderes ist, versuchte Viret, diese als Spezialität direkt ab Hof anzubieten. Die Kundschaft war sofort bereit, einen höheren Preis für ein Qualitätsprodukt vom Nachbarn zu bezahlen. Wenn auch der Direktverkauf nie mehr als 10% der produzierten Milch ausmachte, genügte dieser Schritt bereits, um sein Einkommen spürbar zu verbessern.
Auf der Suche nach weiterer Erhöhung der Wertschöpfung begann Viret, Glace und Jogurts mit Frischobst aus dem Garten oder der Umgebung anzubieten – eine Spezialität ohne jegliche Aromen, Farbstoffe oder Konservierungsmittel. Der wirtschaftliche Erfolg liess nicht lange auf sich warten.
Durch Zufall entdeckt Christophe Viret die frühere Vielfalt von Getreidesorten. Einige waren den Bedingungen seines Betriebs weit besser angepasst als die heute gängigen Sorten. Der Anbau gelang selbst ohne Anwendung von Pflanzenschutzmitteln. Sein Projekt steht noch in der Versuchsphase. Doch bereits jetzt beobachtet er, dass die Nachfrage nach alten Sorten einen Boom erlebt. Viret überlegt sich nun den Direktverkauf von qualitativ hochstehenden Mehlspezialitäten.
Ein besonderes Anliegen ist ihm das hofeigene Saatgut. Seiner Ansicht nach ist die Saatgutvermehrung Sache des Landwirtes, nicht der Industrie. "Der Bauer muss verstehen, dass die Samen ihm gehören. Wenn er diese weggibt, gibt er seinen Teil von sich selbst weg. Es braucht hier Mut und Bescheidenheit, das für seinen Hof angepasste Saatgut selber zu bewahren und weiterzuentwickeln".
Vor 2 Jahren hat Christophe Viret seinen Betrieb auf Bio umgestellt. Jahrelang schlug er sich mit der Frage herum, ob der biologische Landbau seinen Ideen tatsächlich entspricht. Je mehr sich seine alternative Bewirtschaftung entwickelte, desto stärker wuchs in ihm die Überzeugung, diesen Schritt zu tun.
Ein weiteres Standbein des Betriebes ist die Agroforstwirtschaft. In der Schweiz werden für die Agroforstwirtschaft praktisch nur Obstbäume gepflanzt. Vor allem in Frankreich verwendet man auch Bäume zur Holzproduktion. Auch wenn ihm das keine Direktzahlungen einbringt, er ist überzeugt, dass dieser von ihm eingeschlagene Weg ihm erlauben wird, auch nach der Pensionierung noch auf dem Hof zu arbeiten kann, ohne Abhängigkeit von Direktzahlungen. "Ich kann mir nicht vorstellen, meine Entscheidungen je wieder rückgängig zu machen, Agrarpolitik hin oder her, ich beanspruche die Freiheit zu handeln, wie ich will".
Hat er Angst vor der Zukunft? "Nein. Pflugloser, bodenschonender Anbau, Agroforstwirtschaft und Optimierung der Milchproduktion sind für meinen Betrieb tragfähige Lösungen, komme was wolle".
Das 2010 von Vison Landwirtschaft herausgegebene "Weissbuch Landwirtschaft Schweiz" legte einen entscheidenden Grundstein für die wieder in Gang gekommenen Reformbemühungen der Schweizer Landwirtschaftspolitik. Die erste Auflage des Buches war innert weniger Monate ausverkauft. Die zweite Auflage ist hier erhältlich.
Die Anfangs der 1990er Jahre auf Druck verschiedener Volksinitiativen eingeleitete Agrarreform kam während zwei Jahrzehnten kaum vom Fleck. Der Grossteil der damals eingeführten agrarpolitischen Instrumente wurden den damals gesetzten Zielen und dem neuen landwirtschaftlichen Verfassungsartikel von 1996 nicht gerecht. Öffentliche Mittel in Milliardenhöhe wurden nicht verfassungskonform eingesetzt und schadeten der Zukunftsfähigkeit, der Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit der Schweizer Landwirtschaft in unverantwortlicher Weise.
Diese Missstände werden im Weissbuch Landwirtschaft Schweiz, von Vision Landwirtschaft schon kurz nach seiner Gründung herausgegeben, umfassend und schnörkellos aufgearbeitet. Das allgemeinverständliche, mit zahlreichen Grafiken illustrierte Buch bleibt aber nicht bei der Kritik stehen. Ein Schwerpunkt liegt auf der Darstellung von Vorschlägen, die konkret aufzeigen, welche Reformen für eine verfassungsmässige, zukunftsfähige Agrarpolitik unumgänglich sind. Mit detaillierten Modellrechnungen werden die Auswirkungen auf die verschiedenen agrarpolitischen Zielbereiche aufgezeigt. Die Resultate belegen ein unerwartet grosses Optimierungspotenzial und zeigen, dass damit die gesetzten politischen Ziele im Rahmen des jetzigen Agrarbudgets erreicht oder sogar übertroffen werden – bei mittelfristig höherem Einkommen und höherer Nettoproduktion der Landwirtschaft.
Mit seinen Analysen und Vorschlägen legte das Weissbuch Landwirtschaft einen entscheidenden Grundstein für die Reformschritte, welche in den Jahren 2012-2013 mit der "Agrarpolitik 2014-17" eingeleitet wurden. Und es wird weiterhin eine Referenz bleiben für die noch bevorstehenden agrarpolitischen Debatten, die zur Behebung der verbliebenen Defizite unumgänglich sind.
Das "Weissbuch Landwirtschaft Schweiz" ist im Buchhandel erhältlich oder über das Vereinssekretariat. Mitglieder von Vision Landwirtschaft erhalten 30% Rabatt auf den regulären Preis im Buchhandel.