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Bei fehlender Kostenwahrheit wird wirtschaftliches Verhalten im Einklang mit gesellschaftlichen Zielen zum Schwimmen gegen den Strom – für Produzent:innen wie Konsument:innen.

In der Agrarpolitik des Bundes wird die wichtige Rolle von Kostenwahrheit für eine effiziente und faire Landwirtschaft und Ernährung noch kaum anerkannt. In offiziellen Dokumenten gibt es kaum Überlegungen zur Verwirklichung des Verursacherprinzips und zur entsprechenden Anlastung der Kosten von Massnahmen.
Gemeinwirtschaftliche Leistungen werden zwar mit Direktzahlungen internalisiert. Für Massnahmen zur Verminderung von Umweltbelastungen gemäss Umwelt- und Gewässerschutzgesetz kommen aber ebenfalls die Steuerzahler:innen auf – im Widerspruch zu den Bestimmungen in der Verfassung (Art. 74 BV) und im Umwelt- (USG, Art. 2) und Gewässerschutzgesetz (GschG, Art. 3a). Als Folge davon haben zahlreiche Massnahmen der Agrarpolitik unbeabsichtigte Nebenwirkungen und führen zu kostspieligen Zielkonflikten. Diese Situation ist weitgehend auf die fehlende Kostenwahrheit zurückzuführen. Weil die Landwirtschaft von wichtigen Entwicklungen in Richtung Kostenwahrheit (wie Mineralölsteuer, Schwerverkehrsabgabe, CO2-Gesetz) bisher ausgenommen wurde, ist der Handlungsbedarf in der Landwirtschaft grösser als in anderen Branchen.
Beiträge zum Thema
29.8. 2023

Projekt Kostenwahrheit beim Brot

Projekt Kostenwahrheit beim Brot

Beim Theme Kostenwahrheit gibt es viele Chancen aber auch viele Unsicherheiten. Oft wird zwar über Methoden und mögliche Instrumente diskutiert, jedoch fehlen in der Schweiz konkrete Beispiele und Daten.

Dazu wollen wir mit einem Zusammenarbeitsprojekt zwischen E4S und Vision Landwirtschaft am konkreten Fallbeispiel zum Thema Brot etwas beitragen.

Unser Projekt hat zum Ziel, die Methodik True Cost Accounting für Food (wahre Kostenermittlung für Lebensmittel) – welche auch von der FAO dieses Jahr weltweit diskutiert wird – in der Schweiz bekannt zu machen. Mit dem Fallbeispiel Brot werden die Vollkosten (ökonomische, ökologische und soziale – inkl. Gesundheitskosten) innerhalb der gesamten Wertschöpfungskette berechnet. Im Projekt vergleichen wir die Kosten zwischen Bio, pestizidfrei und konventionell hergestelltem Brot. Dieses Projekt findet im Austausch mit Stakeholders und Partnerorganisationen innerhalb der ganzen Wertschöpfungskette statt und auch im Austausch mit Labelorganisationen. Das ermöglicht einen breiten Diskurs, der auch zu besserer Transparenz der Methodik führt.

>> mehr zum Projekt E4S

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12.8. 2023

Die Schweizer Landwirtschaft kann und soll nicht wettbewerbsfähig sein!

Die Schweizer Landwirtschaft kann und soll nicht wettbewerbsfähig sein!

Die Hochschule St. Gallen (HSG) hat den Grenzschutz für Gemüse und Obst untersucht. Gemäss der Studie werden einkommensschwache Haushalte durch die für Schweizer Gemüse verlangten Verkaufspreise zu stark belastet. Die Schweizer Landwirtschaft sei nicht wettbewerbsfähig, kritisieren die Forscher.

Die Schweizer Landwirtschaft kann international nicht wettbewerbsfähig sein - muss es auch nicht. In der Bundesverfassung (Artikel BV 104) sind die Aufgaben der Landwirtschaft gegenüber der Schweizer Bevölkerung klar umschrieben. Würde die Landwirtschaft den freien Marktkräften ausgesetzt, wäre nur noch in den besten Lagen der Schweiz eine Nahrungsmittelproduktion wirtschaftlich möglich. In den übrigen Lagen aber ist eine einheimische Produktion im globalen Markt nicht konkurrenzfähig. Im freien Spiel der Marktkräfte würden dann allerdings wichtige gemeinwirtschaftliche Leistungen, für die kein privater Markt besteht, nicht mehr erbracht. Dazu gehört die sichere Versorgung mit lokal hergestellten und hochwertigen Lebensmitteln, das Tierwohl oder eine hohe Landschaftsqualität. Diese Vielfalt von multifunktionalen Leistungen ist der Schweizer Bevölkerung enorm wichtig. In industrialisierten Ländern, in welchen keine Anreize zur Erbringung solcher Leistungen angeboten wird, ist die Produktionsweise der Landwirtschaft in Gunstlagen viel zu intensiv, während schwierig zu bewirtschaftende Gebiete gar nicht mehr genutzt werden. Damit wird einerseits das landwirtschaftliche Produktionspotential der Zukunft irreversibel geschmälert; direkt und indirekt beeinträchtigt werden aber auch die Lebensqualität, die Wirtschaft und, durch die Folgekosten, die Staatsfinanzen.

Zölle und Handelsbeschränkungen zum Schutz der Landwirtschaft sind grundsätzlich gerechtfertigt, da ein Agrarfreihandel die Existenz der Landwirtschaft nicht nur in der Schweiz, sondern auch in anderen Ländern gefährdet. So erhebt z.B. die Europäische Union Agrarzölle zum Schutz des Preisniveaus für landwirtschaftliche Erzeugnisse und auch die EU Verbraucher:innen bezahlen infolge der Zölle zum Schutz der inländischen Produktion höhere Produktpreise. Sozialpolitik über die Preise für landwirtschaftliche Produkte betreiben zu wollen, ist völlig abwegig. Da werden die Bedürfnisse zweier Bevölkerungsgruppen gegeneinander ausgespielt – diejenigen der einkommensschwachen Bevölkerung gegen diejenigen der in der Landwirtschaft Tätigen. Solche Forderungen sind nicht nur unsozial, sondern gefährden auch das Zusammenleben in der Bevölkerung. 


>> Sendung 10 vor 10 auf SRF, wo die Studie vorgestellt wird

>> Universität St. Gallen, Discussion Paper - Agricultural Protectionism 


Verwandte Beiträge

ZEITUNGSARTIKEL 11.8. 2023

Grosses Medienecho in der Schweiz zu den Umweltpreisen des deutschen Discounters Penny

Grosses Medienecho in der Schweiz zu den Umweltpreisen des deutschen Discounters Penny

Eine Woche lang hat der deutsche Discounter Penny neun seiner mehr als 3000 Produkte mit einem bis zu 94 Prozent teureren «Umweltpreis» angeboten. Berechnet wurden diese «wahren Preise» von Wissenschaftlern der Universität Greifswald und der Technischen Hochschule Nürnberg.

Die Penny Aktion hat auch in den Schweizer Medien ein breites Medienecho ausgelöst. In einem Interview des Schweizer Bauer macht der Umweltökonom Felix Schläpfer auf das Systemversagen aufmerksam und kritisiert, dass nachhaltig wirtschaftende Betriebe praktisch gleich viele Direktzahlungen erhalten, wie nicht nachhaltige Betriebe. Viele Direktzahlungen, die der Umwelt schaden und den Wettbewerb verzerren, sollen darum abgebaut werden. Auch zeigt er mögliche politische Schritte auf, um der Kostenwahrheit bei Lebensmitteln näher zu kommen. So seien insbesondere die Eigentumsrechte im Sinne des Verursacherprinzips zu klären und die Umweltziele zu konkretisieren.   

 >> zum Artikel im Schweizer Bauer

 

Die im Interview erwähnte Studie von Felix Schläpfer und Markus Ahmadi wurde noch unter dem Dach von Vision Landwirtschaft aufgegleist, aber am Ende unabhängig von Vision Landwirtschaft erarbeitet und publiziert.

>> vollkosten.ch

9.7. 2023

Kostenwahrheit schaffen

Kostenwahrheit schaffen

Der Verein True Cost Economy hat in Deutschland eine Petition lanciert, um die Mehrwertsteuer auf Biolebensmitteln von 7 und 19 Prozent auf null zu senken. Die aktuelle Preispolitik setze keine Anreize für nachhaltigen Konsum und den Ausbau des Biolandbaus, heisst es. Konventionelle Waren, die der Umwelt schaden, würden gleich besteuert wie das schonendere Bio. In der Schweiz mit 2.5 Prozent MwSt. auf Lebensmittel sind solche Diskussionen erst am Anlaufen.  

Weitere Informationen:  truecosteconomy.de

Wer bezahlt für die Folgen unserer Ernährungsweise?
Unser Ernährungssystem ist für etwa ein Drittel der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Die Herstellung und der Konsum von Lebensmitteln erzeugen externe Kosten, die nicht bei der Preiskalkulation berücksichtigt werden. Dazu gehören Umweltzerstörung, Tierleid, Verlust der Biodiversität, Schäden für die Gesundheit und soziale Ungerechtigkeit. Um unser Ernährungssystem neu auszurichten, sind darum neue Massstäbe und Standards notwendig, die neben den Produktionskosten auch die Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesellschaft berücksichtigen. Nur wenn allen Akteuren die wahren Kosten bewusst werden, können Anreize dort gesetzt werden, wo sie langfristig einen nachhaltigen Mehrwert generieren.



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In einem Beitrag in der Sendung «Forum» von Radio SRF verteidigt Jakob Lütolf, Vorstand Schweizer Bauernverband, den besonders hohen Fleischkonsum in der Schweiz. Vision Landwirtschaft verweist einmal mehr auf die Fehlanreize im Direktzahlungssystem und auf die daraus resultierende viel zu hohe Tierproduktion und die dadurch entstehenden Umweltschäden. Die Land- und Ernährungswirtschaft ist noch weit entfernt vom Verursacherprinzip und von Kostenwahrheit. Mit den heutigen Regelungen sind die offiziellen Ziele für eine umwelt- und klimaverträgliche Landwirtschaft und Ernährung  nicht zu erreichen. Es braucht darum eine Neuausrichtung der Schweizer Ernährungswirtschaft.

>> Zum Radiobeitrag "Weniger Subventionen für Fleisch und Milch?"

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>> Indirekte Kosten unterschiedlicher Ernährungsstile in der Schweiz
>> Sendung 10 vor 10 auf SRF, wo die Studie vorgestellt wird


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RADIOBEITRAG 11.5. 2022

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Radio SRF sucht im Rahmen eines  Beitrages nach Antworten zu einer veganen Landwirtschaft und wie ökologisch diese wäre, wenn alle Schweizer Bauern aus der Fleischproduktion aussteigen würden. Die Sendung zeigt zudem auf, worauf Vision Landwirtschaft immer wieder hinweist: Die Tierbestände müssen deutlich reduziert werden und die staatliche Produktionslenkung setzt falsche Anreize. "Zur Sprache kommt auch eine Studie von Vision Landwirtschaft (15:20)." Das Problem ist auch nicht der Konsument, wie immer wieder behauptet wird,  sondern das agrarpolitisches System, das die Preise zugunsten eines nicht nachhaltigen Konsums verzerrt und damit nachhaltiges Konsumverhalten systematisch behindert. 

>> zum Beitrag von SRF

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8.4. 2021

Diskussionspapier «Kostenwahrheit in Landwirtschaft und Ernährung»

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Wie Vision Landwirtschaft vor einem halben Jahr in einer Studie aufgezeigt hat, ist die Schweizer Landwirtschaft und Ernährung weit entfernt von «Kostenwahrheit». Mit Blick auf Umweltrecht und Klimaziele wird das immer mehr zum Problem. Vision Landwirtschaft zeigt deshalb in einem neuen Papier auf, wie der Weg zu einer nachhaltigen Land- und Ernährungswirtschaft im Sinne der offiziellen Klimaziele und weiterer Ziele des Bundes aussehen könnte. Der Umbau der Subventionen im Sinne des Verursacherprinzips und der Kostenwahrheit spielt dabei eine tragende Rolle.

>> Diskussionspapier «Kostenwahrheit in Landwirtschaft und Ernährung»






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NEWSLETTER / NEWSLETTER 15.9. 2020

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(VL) Wer soll die Kosten der Produktion von Gütern und Dienstleistungen tragen? Grundsätzlich ist die Antwort klar und weitherum anerkannt: Zahlen soll, wer die Kosten verursacht. Wenn dies der Fall ist, liegt «Kostenwahrheit» vor. In der Landwirtschaft und Ernährung wird dieses Prinzip heute auf den Kopf gestellt. Um-weltschädigende Produktionsweisen und Konsummuster werden vom Staat massiv begünstigt. Nicht nachhaltig produzierte Güter werden so viel zu günstig, nachhaltige zu teuer. Das Problem ist also nicht der Konsument, der nicht bereit ist, für nachhaltige Nahrungsmittel deutlich mehr zu bezahlen, sondern ein agrarpolitisches System, das die Preise zugunsten eines nicht nachhaltigen Konsums verzerrt und damit nachhaltiges Konsumverhalten systematisch behindert. In einer neuen Studie von Vision Landwirtschaft wird der Umfang dieser Verzerrungen erstmals quantifiziert. Um die agrarpolitischen Ziele im Bereich Umwelt und Ernährungssicherheit zu erreichen, wird es unumgänglich sein, das heutige System grundlegend neu auf Kostenwahrheit auszurichten.

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14.9. 2020

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