(VL) In der Volksabstimmung vom 23. September befassen sich gleich zwei Vorlagen mit der Landwirtschaft. Die Fair-Food-Initiative will im Rahmen der bestehenden internationalen Handelsabkommen faire und nachhaltig produzierte Nahrungsmittel fördern. Auch die Initiative für Ernährungssouveränität will mehr Nachhaltigkeit und Fairness gegenüber den Bauern. Dies aber vor allem aus einer traditionellen bäuerlichen Perspektive, mit weitgehenden staatlichen Eingriffen und mit Konfliktpotenzial gegenüber bestehenden Handelsabkommen. Was ist von den Vorlagen zu halten? In diesem Newsletter fassen wir einige Überlegungen zu den Initiativen zusammen.
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Fair-Food-Initiative
Die Fair-Food-Initiative will, kurz gesagt, faire und nachhaltig produzierte Nahrungsmittel fördern. Produkte aus bäuerlicher Landwirtschaft, fairem Handel sowie aus regionaler und saisonaler Produktion und Verarbeitung sollen einen Marktvorteil erhalten. Die Lebensmittelverschwendung und die Klimabelastung durch Transport und Lagerung sollen reduziert und die Tierhaltungsform auch bei Importen und verarbeiteten Lebensmitteln deklariert werden. Tierquälerisch erzeugte Produkte sollen nicht mehr in die Schweiz importiert werden, und importierte Lebensmittel sollen soziale und ökologische Mindestanforderungen erfüllen, die denjenigen in der Schweiz entsprechen. Herkunft und Produktionsbedingungen sollen zudem transparent deklariert werden.
Fazit: Die Initiative nimmt mit dem Thema der nachhaltigen Importe ein Anliegen auf, das für die Entwicklung nachhaltiger globaler Ernährungssysteme zentral ist. Die Knacknüsse der Initiative liegen bei der späteren Umsetzung in Politik und Verwaltung. - Fundierte Argumente zur Initiative finden sich in einem Interview mit Elisabeth Bürgi Bonanomi im Tages-Anzeiger.
Initiative für Ernährungssouveränität
Die Initiative für Ernährungssouveränität hat zwar Überschneidungen mit der Fair-Food-Initiative, will aber sehr viel mehr. So soll beispielsweise das Einkommen der Landwirte verbessert, für gerechte Preise gesorgt, und die Zahl der in der Landwirtschaft tätigen Menschen erhöht werden. Und dies alles mit staatlichen Mitteln.
Die Initiative nimmt wichtige Anliegen einer nachhaltigen Landwirtschaft auf, betont dabei aber einseitig die Anliegen und Interessen einer spezifischen Gruppe von Bäuerinnen und Bauern. Sie berücksichtigt nicht, dass arbeitsintensive Produktionsmethoden und eine möglichst hohe Inlandproduktion nicht notwendigerweise im Interesse der Umwelt und der Konsumenten, ja nicht einmal unbedingt im Interesse vieler Bauernfamilien sind. Die Initiative scheint in mancher Hinsicht eine Landwirtschaft anzustreben, wie sie die Schweiz vor fünfzig Jahren hatte. Die Initiative lehnt sich stark an Ideen der Via Campesina an, eines weltweiten Zusammenschlusses von Kleinbauern, die vor allem die Situation von Bauern in Entwicklungsländern verbessern will.
Auch bei der Ernährungssouveränitäts-Initiative sind fast alle Forderungen sehr allgemein formuliert. Im Gegensatz zur Fair Food-Initiative haben die Initianten bisher aber kaum konkrete Lösungen vorschlagen können, wie sie sich eine Umsetzung der Initiative vorstellen. Kommt dazu, dass viele der Anliegen der Ernährungssouveränitäts-Initiative im aktuellen Text der Bundesverfassung und teilweise auch in Gesetzestexten bereits mehr oder weniger enthalten sind, ohne dass sie aber zu einer Landwirtschaft führten, wie sie sich die Initianten vorstellen.
Andere Forderungen sind rechtlich und im Kontext internationaler Vereinbarungen problematisch und, wenn überhaupt, äusserst schwierig umzusetzen. Insbesondere ist die Initiative sehr protektionistisch und verkennt, dass der freie Handel von Nahrungsmitteln bei entsprechenden gesetzlichen Rahmenbedingen (Anliegen Fair-Food-Initiative) durchaus auch positive Aspekte für die Landwirtschaft haben kann.
Fazit: Die Uniterre-Initiative gleicht einem bunten Strauss an Wünschen, bei denen fraglich bleibt, ob sie durch Parlament und Exekutive überhaupt umgesetzt werden (können). Ähnlich wie 2017 bei der Ernährungssicherheits-Initiative würde die Verfassung um Inhalte erweitert, die kaum einen Niederschlag in der Gesetzgebung und staatlichem Handeln finden dürften.