Der Nationalrat will, dass die Landwirtschaft keine Daten melden muss
Der Verkauf und die Anwendung von Pflanzenschutzmittel und die Verwendung von Düngemitteln muss gemeldet werden. Das war ein Punkt der Parlamentarische Initiative 19.475, vom Parlament 2021 als indirekter zur Trinkwasser- und zur Pestizidfrei-Initiative angenommen wurde. Das Bundesamt für Landwirtschaft ist daran, dafür eine Webanwendung zu entwickeln. Doch der Schweizer Bauernverband stellt sich quer und der Nationalrat hat in der Herbstsession eine Motion angenommen, welche die Landwirtschaft von der Mitteilungspflicht ausnehmen will. Das würde jedoch auch den Bäuerinnen und Bauern schaden.

digiFLUX ist eine Webanwendung, um die Mitteilungspflicht über den Handel und die Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln und Nährstoffen zu erfassen. Der Name setzt sich zusammen aus digital und flux, dem englischen Wort für Fluss. Der Bund entwickelt Digiflux, um die Mitteilungspflicht umzusetzen, die von der Parlamentarische Initiative 19.475 verlangt wurde. Diese wurde vom Parlament 2021 als indirekter Gegenvorschlag zur Trinkwasser- und zur Pestizidfrei-Initiative angenommen.
Die Projektleitung hat das Bundesamt für Landwirtschaft BLW. Nun stellt sich der Bauernverband quer und findet den Aufwand für die Landwirte unzumutbar und verlangt, dass sie deshalb von der Erfassung ihrer Daten auszunehmen seien. Notabene dieselben Landwirte, von denen der Bauernverband mit Stolz berichtet, wie sie mit neusten Traktoren und mit Nutzung von Geodaten punktgenau ihre Felder bestellen.
Der Nationalrat hat in seiner kürzlich beendeten Session die Motion Kolly (24.3078), die «eine Aufhebung der Pflicht für die Verwendung von DigiFLUX für Landwirtschaftsbetriebe» fordert, angenommen. Bundesrat Guy Parmelin hat in seinem Votum während der Debatte sehr klar das Parlament an seinen Auftrag von 2021 erinnert und vor allem betont, dass eine Annahme der Motion Kolly gegen Treu und Glauben verstosse und auch das Gleichheits-Prinzip missachte, da alle anderen Beteiligten ihre Daten in die Datenbank einspeisen müssen. Leider konnte Bundesrat Parmelin die Mehrheit des Parlamentes mit seinen Argumenten nicht überzeugen. (Video des Votums BR Parmelin in Französisch https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/amtliches-bulletin/amtliches-bulletin-die-videos?TranscriptId=344464
Von der Sache her ist diese Datenbank dringend nötig, da in der Schweiz die Datenlage äusserst dürftig ist, wenn es darum geht, Massnahmen für eine wirksame Reduktion des Pestizideinsatzes und der Pestizidbelastung herzuleiten. Bisher hat einzig der Handel verlässliche Daten geliefert, die direkten Anwender jedoch nicht. Vor allem für die Forschung, u.a. zu den gesundheitlichen Risiken für die Anwender, fehlt es an Daten. Aufgrund von Erhebungen aus dem nahen Ausland ist davon auszugehen, dass die signifikant höhere Erkrankungsrate mit Parkinson bei Personen aus der Landwirtschaft mit dem häufigen Kontakt mit Pestiziden zusammenhängt. Einige EU-Länder haben deshalb Parkinson bei Landwirten als Berufskrankheit anerkannt. In der Schweiz fehlen jedoch für eine solche Anerkennung die nötigen Daten.
Es ist deshalb unerklärlich, weshalb der Bauernverband und seine Vertreter:innen im Parlament gegen den Einsatz von DigiFLUX ankämpfen. Damit schadet das Parlament dem ganzen Berufsstand Landwirt. Zudem verletzt das Parlament mit seiner ablehnenden Haltung auch die Bundesverfassung, wonach der Bund Vorschriften erlässt «über den Schutz des Menschen und seiner natürlichen Umwelt vor schädlichen oder lästigen Einwirkungen» (Art. 74 BV). Als Zweitrat wird nun der Ständerat die Motion Kolly behandeln. Es ist zu hoffen, dass dieser Rat das Wohlergehen der Landwirte und Landwirtinnen in den Vordergrund seiner Überlegungen stellt.
Kalifornien zeigt, wie es besser geht
Vorbild für ein Pestizidregister könnte Kalifornien sein: Seit 1974 erfasst und veröffentlicht der US-Bundesstaat zentral alle Pestizideinsätze. Bürger:innen können dort über ein Online-Kartentool die Pestizidanwendungen in ihrer Nachbarschaft einsehen. Diese Transparenz hat bereits zu wichtigen wissenschaftlichen Erkenntnissen geführt, die auch in Deutschland relevant sind – wie etwa die Anerkennung von Parkinson durch Pestizide als Berufskrankheit bei Landwirt:innen, die auch auf Studien mit kalifornischen Daten basiert.
Quelle: Umweltinstitut München