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VISION LANDWIRTSCHAFT / NEWSLETTER 7.7. 2014

"Blühstreifen" als neues Ökoelement für die Schweizer Landwirtschaft? Wirtschaftliche Interessen mit grünem Deckmantel

Selten sind sich die Experten so einig: Die vom Bundesamt für Landwirtschaft vorgeschlagenen "Blühstreifen" als neues Element für den ökologischen Ausgleich schaden der Artenvielfalt im Ackerbaugebiet mehr als dass sie ihr nützen. Dennoch hält der Bund an den Blühstreifen fest. Hintergründe eines Schildbürgerstreichs.

(VL) Gerade rund 6 Promille der landwirtschaftlichen Nutzfläche machen die Ökoelemente auf Ackerland in den Ackerbauregionen aus – viel zu wenig, als dass damit die Artenvielfalt wirksam gefördert könnte. Dabei herrscht genau im Ackerland das grösste Defizite bei der Erhaltung der Biodiversität. Von der Erreichung der Umweltziele Landwirtschaft ist man weit entfernt. Seit Jahren werden deshalb Überlegungen angestellt, wie die Situation verbessert werden kann. Erste, wenn auch noch zaghafte Schritte wurden, beispielsweise mit der Einführung des Ökoelementes "Saum auf Ackerland", bereits unternommen – einem Element, das die Bauern bis jetzt noch viel zu wenig kennen. Zudem zeitigen in einigen Regionen Bemühungen beispielsweise im Rahmen von Vernetzungsprojekten erfreuliche Resultate. 

Dennoch ist klar: Dies allein genügt nicht. Nun haben findige Köpfe mit Unterstützung der vorgelagerten Landwirtschaftsindustrie die Defizite im Ackerbaugebiet als Aktionsfeld für die eigenen Interessen entdeckt. Blühstreifen, angesät mit fast ausschliesslich nicht einheimischen, schnell wachsenden Zwischenfrüchten, die über kurze Zeit viel Pollen und Nektar produzieren, sollen den von Pestizidcocktails gebeutelten Bienen helfen. Die Bauer sollen dafür mit bis zu Fr. 3'500 pro Hektare entschädigt werden. Mit dem populären Argument der Bienenförderung lässt sich das gut vermarkten und findet bei den Imkern Anklang. Die Pestizidproduzenten wollen damit zeigen, dass sie ein Herz für die Bienen haben. Und die Saatgutfirmen können jährlich die nötigen Samenmischungen liefern - damit lässt sich viel mehr Geld verdienen als mit langfristigen Ökoflächen. Eine Win-Win-Situation, mit der offenbar genügend Druck auf das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) ausgeübt werden konnte, um die starken Bedenken von Fachleuten gegen diese Art von Blühstreifen in den Wind zu schlagen. 

Die Kritik, die dem BLW entgegenschlug, war und ist heftig. Ausser der Honigbiene profitieren kaum wildlebende Bestäuber und bedrohte Arten des Ackerlandes von diesem neuen "Ökoelement", im Gegenteil. Weil die Blühstreifen kurz nach der Blüte wieder untergepflügt werden, fungieren sie als Falle für zahlreiche Insekten wie Wildbienen, welche sich darin ansiedeln, aber nicht längerfristig überleben können. Als noch gravierender wird die Konkurrenz zu den bestehenden, langfristigen und ökologisch wertvollen Ökoelemente im Ackerbau beurteilt: Denn die neuen Blühstreifen müssten lediglich 100 Tage stehen gelassen werden und könnten bis eine halbe Hektare gross sein. Einfacher liessen sich die 7% Ökoflächen, zu welchen die Blühstreifen gezählt werden sollen, nicht erreichen. Wer will sich da noch mit Buntbrachen, Blumenwiesen oder Säumen auf Ackerland herumschlagen und sich damit langfristig binden? 

Die von verschiedenen Organisationen, darunter Vision Landwirtschaft, bereits frühzeitig geäusserte Ablehnung gegenüber den Blühstreifen veranlasste das BLW dazu, von der bundeseigenen Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz ein Gutachten zu erstellen. Dieses bestätigte, dass die Blühstreifen nicht zielführend sind, sondern im Gegenteil eine Schwächung des ökologischen Ausgleichs im Ackerbaugebiet bewirken, also dort, wo ohnehin die grössten Defizite zur Erreichung der Biodiversitätsziele bestehen. Eine im Rahmen des Gutachtens befragte Expertenrunde kam einhellig zum gleichen Schluss. Klarer kann das Verdikt nicht sein. 

Vision Landwirtschaft stellte sich bei der Vernehmlassung vollumfänglich hinter die Kritikpunkte der Agroscope und der beigezogenen Experten. Wir fordern den Bundesrat und das BLW auf, die Blühstreifen als BFF-Element, wie die Ökoflächen neu heissen, zu streichen und stattdessen allenfalls unter der Kategorie der Produktionssystembeiträge eine Bienenweide in die Direktzahlungsverordnung aufzunehmen, womit die Konkurrenzgefahr zu den bestehenden wertvollen Ökoflächen gebannt wäre. 

Wir sind gespannt, wie der Schildbürgerstreich zu Ende geht. Vision Landwirtschaft bleibt dran.