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6.12. 2019

Keimhemmer Chlorpropham: Wie die Branchenorganisationen den Pestizidproblemen hinterher rennen

Keimhemmer Chlorpropham: Wie die Branchenorganisationen den Pestizidproblemen hinterher rennen

Das Beispiel des giftigen Keimhemmers Chlorpropham zeigt exemplarisch, wie viele landwirtschaftlichen Branchenorganisationen die Probleme im Umgang Pestiziden seit Jahren verschlafen haben. Heute müssen sie ihre ganze Energie ins Reagieren auf die überall hochgehenden Zeitbomben investieren, fürs Vorausdenken fehlen die Kapazitäten.

Chlorpropham ist ein Gift, das direkt in die Kartoffellager appliziert wird, um die Keimung der Knollen zu verzögern. Dass diese Praxis für die Konsumentengesundheit höchst fragwürdig ist, wusste die Branche schon lange. 

Die EU hat deshalb letzten Sommer die Reissleine gezogen und das Pestizid verboten. Nicht so die Schweiz. Hier handelt das Bundesamt für Landwirtschaft üblicherweise erst, wenn der Druck zu gross wird. Die meisten Produzentenorganisationen unterstützen diese Praxis, wollen sie doch möglichst keine Einschränkungen bei den Pestiziden hinnehmen.

Beleidgt reagieren statt agieren

Nun hat SRF das Chlorpropham-Problem in einem promienten Rundschau-Beitrag in die Öffentlichkeit gebracht. Prompt reagierte die Branche - auf die immer gleiche weise: beleidigt. Sie sieht sich als Opfer der Medien, und fordert (von wem?) Alternativen, wenn der Stoff verboten werde. 

Die Bauernzeitung schreibt: "Sorge bereitet der Branche der jüngste SRF-Rundschau-Beitrag von vergangener Woche über den Keimhemmer Chlorpropham" (richtig: nicht Chlorpropham, sondern SRF bereitet Sorge). Bei der Delegiertenversammlung der Branchenorganisation äusserte sich Swisspatat-Präsident Urs Reinhard wie folgt dazu: "Ich habe den Eindruck, man unterstellt uns Bösartigkeit, Untätigkeit, Unwissenheit und Dummheit. Dabei wollen die Produzenten das gleiche wie die Konsumenten: qualitativ hochwertige, einwandfreie und gesunde Lebensmittel." 

Swisspatat unterstütze das Chlorpropham-Verbot, «wir sind aber darauf angewiesen, funktionierende Alternativprodukte zur Verfügung zu haben», so Christine Heller, Geschäftsführerin von Swisspatat, im Interview mit dem SRF. 

So reagieren üblicherweise Kinder, denen man das Handy oder die Schokolade wegnimmt. Dann schreien sie beleidigt und betteln nach Alternativen. Für dieses Verhalten zahlen die Produzenten der Branchenorganisation aber keine Mitgliederbeiträge. Vielmehr dürften sie erwarten, dass ihre Organisation vorausschauend agiert und so verhindert, dass am Laufmeter Zeitbomben hochgehen. Doch dafür fehlt den meisten Branchenführern offenbar die Kraft. Das Löschen der überall auftauchenden Brandherde bindet alle ihre Energie. Zu lange haben sie den verantwortungslosen Umgang mit Pestiziden verschlafen.