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21.8. 2019

Agrarpolitik 22+: Bundesrat signalisiert Offenheit für Verbesserungen bei den Umweltdefiziten

Agrarpolitik 22+: Bundesrat signalisiert Offenheit für Verbesserungen bei den Umweltdefiziten

Der Bundesrat hat die Stellungnahmen zur AP22+ ausgewertet. Beteiligt haben sich rund 400 Institutionen, zusätzlich gingen über 3000 individuelle, kopierte Stellungnahmen ein - eine neue Erscheinung.

Im Auswertungsbericht zeigt der Bundesrat auch seine Absichten für das weitere Vorgehen auf. Im Bereich Markt und Pachtrecht hat den Bundesrat sein damaliger Mut wieder verlassen. Die meisten Neuerungen hin zu weniger Protektionismus wurden wieder gestrichen. Dafür wirkte der Druck der Trinkwasserinitiative. Wider Erwarten enthält das Paket einige substanzielle Verbesserungen im Umweltbereich. Doch sie sind derzeit noch so unkonkret und teilweise so wenig ambitioniert, dass sie sich als grosse Mogelpackung entpuppen könnten. Wie konkret die Umweltdefizite angegangen werden sollen, will der Bundesrat erst im Februar 2020 in einer ausführlichen Botschaft aufzeigen.

Tatsächlich enthält der heute publizierte Bericht des Bundesrates etliche Verbesserungen gegenüber den ursprünglichen Vorschlägen.  Zum einen sind die meisten der besonders unausgegorenen, von Vision Landwirtschaft scharf kritisiert Neuerungen wieder vom Tisch, so das zweiteilige Biodiversitätsfördersystems und die Abschaffung der Direktzahlungs-Degression bei grossen Betrieben. 

Neu im Programm sind auf der anderen Seite - gegen den Willen der SVP-Landwirtschaftsministers - einige Verbesserungen im Umweltbereich. Sie sind offensichtlich eine Reaktion auf den grossen politischen Druck der Trinkwasserinitiative. Als wesentlicher Fortschritt zu beurteilen ist insbesondere der verbindliche Absenkungspfad für Nitrat und Phosphor. Bei Nichterreichen der Ziele will der Bundesrat Massnahmen ergreifen: an sich eine Selbstverständlichkeit, für die Schweizer Agrarpolitik aber ein völliges Novum. Bisher wurden Etappenziele fast nie erreicht. Konsequenzen hatte dies nie. Die Ziele wurden entweder fallen gelassen, oder einfach in die nächste Botschaft übertragen. 

Wie die angekündigten Massnahmen zur Sicherstellung der Zielerreichung aussehen werden, bleibt allerdings völlig offen. Damit ist ein grosses Schlupfloch eingebaut, mit dem die lobenswerte Absicht leicht zur Mogelpackung verkommen könnte. Ein weiterer wesentlicher Kritikpunkt am Absenkpfad ist seine komplette Ambitionslosigkeit. Mit den angestrebten Emissionsreduktionen würde ein gesetzeskonformer Zustand bei den Stickstoffemissionen bestenfalls im Jahre 2070 erreicht werden. Das ist völlig inakzeptabel. Die Umweltziele und damit das schlichte Einhalten des Umweltrechtes müssen bis spätestens 2035 erreicht werden. Alles andere wäre ein Hohn angesichts der Milliarden an Steuergeldern, welche der Bund für eine angeblich nachhaltige Landwirtschaft einsetzt. Hier muss der Bundesrat massiv nachbessern.

Im Weiteren wird im Bereich Umwelt neu auch der Klimaschutz integriert - eine Reaktion auf viele Forderungen in der Vernehmlassung, darunter auch von Vision Landwirtschaft. Zudem werden einige Verbesserungen bei den Pestiziden in Aussicht gestellt, allerdings ohne jegliche konkreten Angaben.

Für den Bauernverband, der nun etwas mehr statt wie von ihm gefordert weniger Ökologie schlucken muss, hat der Bundesrat offenbar in letzter Minute noch ein umstrittenes Zückerchen eingebaut. Er verspricht, eine Gesetzesgrundlage zu schaffen, damit sich der Bund an Prämien von Wetterereignisversicherungen finanziell beteiligen kann - eine Massnahme, welche ein weiteres Element von Fehlanreizen in die Agrarpolitik einführen und zusätzliche Steuergelder abziehen wird.  
 
Fazit: Ob die AP22+ letztlich tatsächlich ein paar nennenswerte Schritte hin zu einer nachhaltigeren, die eigenen Ressourcen weniger schädigenden Landwirtschaft gehen wird, ist nicht ausgeschlossen, steht aber angesichts der aktuellen Dynamik der Ereignisse noch auf sehr wackligen Füssen. Doch selbst wenn die Versprechen eingehalten werden, ist die Agrarpolitik noch weit davon entfernt, die Umweltgesetzgebung zu respektieren. Grundlgender Nachbesserungsbedarf ist so oder so unumgänglich. 

>> Zur Medienmitteilung des Bundes und zum Bericht
>> "Bundesrat zwingt Parmelin, beim Gewässerschutz nachzubessern" - Artikel im Tages-Anzeiger