Lassen Sie sich regelmässig über Studien und Neuerscheinungen von Vision Landwirtschaft informieren
Startseite / Publikationen / Projektberichte / Schlussbericht Projekt «Pestizidfreie Schweizer Landwirtschaft» 2017 - 2021
PROJEKTBERICHT 20.12. 2021

Schlussbericht Projekt «Pestizidfreie Schweizer Landwirtschaft» 2017 - 2021

Schlussbericht Projekt «Pestizidfreie Schweizer Landwirtschaft» 2017 - 2021

Das Projekt «Pestizidfreie Schweizer Landwirtschaft» mit dem Ziel, in der Schweiz völlig auf Pestizide zu verzichten, wuchs aus dem im Mai 2016 von Vision Landwirtschaft veröffentlichten «Pestizid-Reduktionsplan Schweiz» heraus. Vision Landwirtschaft stand damals mit diesem Ziel noch weitgehend alleine da. Selbst bei vielen Partnerorganisationen galt ein Ausstieg aus der Pestizidwirtschaft eher als Utopie denn als eine realisierbare Vision. Die Meinung, dass Pestizide als letztlich unabdingbarer Kompromiss einer modernen Nahrungsmittelproduktion nötig sind, war bis in Umweltkreise hinein tief verankert. So richteten sie ihre Bemühungen lediglich auf Optimierung und Reduktion beim Pestizideinsatz.

>> Schlussbericht «Pestizidfreie Schweizer Landwirtschaft» kurz (pdf)



Ein kurzer Blick zurück hilft den mitgestalteten grundlegenden Wandel aufzuzeigen: Ende 2016 lancierte Vision Landwirtschaft die Idee für ein Projekt «Pestizidfreie Schweizer Landwirtschaft» mit dem Ziel, in der Schweiz völlig auf Pestizide zu verzichten. Die Erarbeitung des Projektbeschriebs «Pestizidfreie Schweizer Landwirtschaft» erfolgte nahtlos an den Pestizid-Reduktionsplan und nahm bereits vorhandene Umsetzungsideen auf, die nicht in den Reduktionsplan gepasst hätten. Ein weiterer Anstoss für das Projekt war der unbefriedigende Aktionsplan PSM des Bundes, der nur wenige Wochen nach der Publikation des Pestizid-Reduktionsplanes veröffentlicht wurde. Mit fundierten Analysen sollte im Rahmen des Projekts aufgezeigt werden, dass – entgegen der Annahme des Aktionsplans – eine weitgehend pestizidfreie Nahrungsmittelproduktion in der Schweiz in wenigen Jahren möglich ist.

Heute, nach Abschluss des Projektes «Pestizidfreie Schweizer Landwirtschaft», bekennen sich breite Kreise zur Notwendigkeit eines Ausstiegs aus dem bisher praktizierten Pestizideinsatz zur Nahrungsmittelproduktion. Ein wichtiger Schritt zur allgemeinen Akzeptanz des Ausstiegs war die Zustimmung der Agrarallianz Ende 2019 zu einem von Vision Landwirtschaft und WWF verfassten Positionspapier. Dieses Papier basiert auf dem Pestizid-Reduktionsplan von Vision Landwirtschaft und legt den Ausstieg als Ziel fest. Für die Agrarallianz, welche aufgrund ihrer breit aufgestellten Zusammensetzung bis hinein in landwirtschaftliche Kreise in der Regel vor grundlegenden agrarpolitischen Forderungen zurückschreckt, war dies geradezu revolutionär und setzte ein wichtiges Zeichen nach innen und aussen.

Viel zum Umschwung beigetragen haben die im Rahmen des Projektes publizierten umfangreichen Recherchen und Datenerhebungen. Sie zeigten, dass selbst die Schweiz – ein Land mit grundsätzlich funktionierendem Rechtssystem, rechtsstaatlichem Vollzug und strengen Umweltschutzgesetzen – weit davon entfernt ist, den Pestizideinsatz auch nur ansatzweise unter Kontrolle zu haben. Die gravierenden Befunde überraschten selbst viele Fachleute und Branchenvertreter. Gleichzeitig porträtierte das Projekt immer wieder ProduzentInnen, die erfolgreich auf Pestizide verzichten beziehungsweise vermittelte diese Personen für Hintergrundberichte in den Tagesmedien. Durch das wiederholte Aufzeigen von «ja, es geht auch ohne Pestizide» wuchs bei den zielverwandten Organisationen das Vertrauen in diesen vorher zu extrem empfundenen Weg.

Nicht zuletzt war der Stimmungswandel wesentlich der Lancierung der beiden Agrarinitiativen zu verdanken, vor allem der Trinkwasserinitiative (TWI). Das Projektteam des Projektes «Pestizidfreie Schweizer Landwirtschaft» hat das Initiativkomitee der TWI von Beginn an fachlich, konzeptionell und medial intensiv unterstützt. Die TWI wie auch die Pestizidinitiative trugen wesentlich dazu bei, dass der grossflächige landwirtschaftliche Pestizideinsatz und die damit verbundenen massiven Schäden zu einem medialen Dauerthema wurden. Gleichzeitig haben die beiden Agrarinitiativen stark mitgeholfen, auf vielen landwirtschaftlichen Betrieben einen Bewusstseinswandel auszulösen. Mit unzähligen praktischen Massnahmen, die im Rahmen des vorliegenden Projektes regelmässig aufgearbeitet und kommuniziert wurden, versuchten etliche Betriebe seither vom Pestizideinsatz wegzukommen oder diesen zu reduzieren. Dieser ansonsten wenig kommunizierte, hoffnungsvolle Prozess stand in auffallendem Kontrast zur Kommunikation der grossen landwirtschaftlichen Verbände und der mit diesen eng zusammenarbeitenden Agroindustrie, die bis heute den Pestizideinsatz als unumgänglich darzustellen versuchen. Die Agrarlobby argumentiert, dass ein Verzicht auf Pestizide zu grossen Problemen bei der Versorgung der Bevölkerung mit einheimischen Nahrungsmitteln führe bzw. verstärkt nicht nachhaltig produzierte Lebensmittel importiert werden müssten.

Ein wichtiger Erfolg im Hinblick auf einen grundsätzlichen Wandel war auch das Wording, d.h. der Sprachgebrauch in der Öffentlichkeit. Die Agroindustrie, der Bund, die meisten Branchenvertreter und auch einige Partnerorganisationen der Agrarallianz verwenden und verteidigen konsequent den Begriff «Pflanzenschutzmittel (PSM)». Niemand soll diese Produkte mit Umweltschäden und Gesundheitsproblemen in Verbindung bringen. Der Begriff «Pestizide» wurde in diesen Kreisen strikt abgelehnt. Dank der hartnäckigen Verwendung und Begründung des Begriffs «Pestizid», den sowohl die Pestizidinitiative und auch die Trinkwasserinitiative basierend auf der Definition des Pestizid-Reduktionsplans übernommen haben, hat sich dieser wichtige Begriff heute fest etabliert.

Das Projekt hat aufgezeigt, dass ohne Druck und Hartnäckigkeit nichts geht. Die Agrarpolitik wird ohne öffentlichen Druck nicht wirklich reformiert und ein wesentliches Umdenken in bäuerlichen Kreisen und dem Detailhandel findet nur sehr zaghaft statt. Das Projekt hat aber dennoch bei allen Zielgruppen zu einer Sensibilisierung für die Pestizidproblematik beigetragen.