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NEWSLETTER / 17.5. 2021

Dank TWI Potenziale des Berggebiets konsequent nutzen

Dank TWI Potenziale des Berggebiets konsequent nutzen

In den vergangenen Jahrzehnten hat der Bund die Agrarpolitik mit Subventionen und Zollerleichterungen für Futtermittel weitgehend auf die Interessen der vor- und nachgelagerten Industrie ausgerichtet und dabei wichtige weitere gesellschaftliche Anliegen vernachlässigt. Auch das Berggebiet war dieser Entwicklung unterworfen, und es ist davon sogar besonders stark betroffen. Denn die intensive Tierproduktion mit importierten Futtermitteln passt im Berggebiet besonders schlecht zu dem, was wir als Konsumentinnen und Steuerzahler von der Landwirtschaft erwarten. Die Trinkwasserinitiative ist für die Berglandwirtschaft deshalb eine riesige Chance. Die Chance, ihr Einkommen wieder mit Produkten und herausragenden gemeinwirtschaftlichen Leistungen zu erwirtschaften, die ihrem natürlichen Potenzial entsprechen.

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(VL) Spontan würde man meinen: Die Bauern und die Bevölkerung der Bergkantone gehören zu den klaren Befürwortern der Abstimmungsvorlagen vom 13. Juni – insbesondere der Initiative für sauberes Trinkwasser. Diese will ja die Direktzahlungen umlagern – weg von umweltschädlichen Produktionsweisen und hin zu echten gemeinwirtschaftlichen Leistungen, von denen das Berggebiet viel mehr erbringt als die übrige Landwirtschaft. Warum sind dann viele Bergbauern gegen die TWI?

Mehrwerte werden unterlaufen

Der Grund sind die zugekauften Futtermittel. Die gemeinwirtschaftlichen Leistungen und das gute Image der Produkte aus dem Berggebiet werden zunehmend unterlaufen. Die Politik hat die Betriebe mit gezielten Zollerleichterungen für importierte Futtermittel – beispielsweise im Rahmen der Agrarpolitik 2011 – Schritt für Schritt in die Abhängigkeit geführt. Vertreter von Fenaco und Co. im Parlament haben zu dieser Entwicklung entscheidend beigetragen. Die Anreize wurden so gesetzt, dass es sich lohnt, Unmengen an Futter in die Berge zu karren. Viele Bergbäuerinnen und Bergbauern haben sich darauf eingestellt und scheuen sich nun, einen anderen Weg zu gehen, der klima- und umweltkompatibel ist. Sie werden unterstützt durch die vielen Profiteure dieser Entwicklung.

Mit ihren Futtermittelimporten richtet die Landwirtschaft heute die Biodiversität auch in der montanen und subalpinen Stufen des Berggebiets zugrunde, so wie vor Jahrzehnten im Tal- und Hügelgebiet.

Wird das Berggebiet seinem guten Image bei der Bevölkerung und den Konsumentinnen noch gerecht? Vision Landwirtschaft hat im neu erschienenen Bericht „Landwirtschaft und Umwelt in den Kantonen“ eine Auswertung von bestehenden Statistiken und Datensätzen gemacht, um regionale Unterschiede bei Produktionsweisen, Umweltbelastungen durch Nährstoffe und Pestizide in naturnahen Lebensräumen, Gewässern und Grundwasser sowie Auswirkungen auf die Landschaft zu analysieren.

Gemeinwirtschaftlichen Leistungen nehmen ab

Die Zahlen der regionalen landwirtschaftlichen Gesamtrechnung zeigen: Im Bereich der Futtermittel stehen die Bergkantone heute nicht besser da als die im Mittelland. Vom Erlös aus dem Verkauf von Fleisch und Milch landet jeder zweite Franken beim Futtermittelhändler oder beim Tierarzt. Auch bei den Auswirkungen auf die Landschaft sind die Zahlen mittelmässig. Gemäss der neusten Arealstatistik hat sich die Zunahme des landwirtschaftlichen Gebäudebestands angetrieben durch die Futterimporte, praktisch unvermindert fortgesetzt.

Besser sieht es bei den Umweltbelastungen durch Nährstoffe (Phosphor, Stickstoff) und Pestizide aus. Die Nährstoffeinträge in die Gewässer sind deutlich geringer. Die Stickstoffemissionen in die Luft sind in einigen Bergkantonen ebenfalls hoch. Weit überhöht sind sie - im Gegensatz zum Tal- und Hügelgebiet - aber nur sehr lokal. Umweltbelastungen des Grundwassers mit Nitrat und Pestiziden sind ohnehin kaum ein Thema. Über alle betrachteten Umweltwirkungen gesehen, liegen die Bergkantone mit ihrer Grasland-dominierten Nutzung weit vorne (Tabelle unten). Sie halten die Umweltgesetze bereits heute ein.

Das unterstreicht ihr Potenzial für echte, darüber hinausgehende Leistungen zugunsten der Gesellschaft. Nur: Die Futtermittel aus aller Welt stellen diese Leistungen und Mehrwerte zunehmend in Frage.

Solide Perspektive – wirtschaftlich und imagemässig

Die Entwicklung ist absehbar. Die Agrarpolitik wird aufgrund der Klimaziele in Richtung Kostenwahrheit gehen, die Konsumentinnen und Konsumenten werden also zunehmend für die vollen Kosten der Nahrungsmittel aufkommen. Im Talgebiet werden dann zwangsläufig umfangreiche Pauschalzahlungen frei, und auch die Zahlungen für die Vermeidung von Umweltschäden werden dann obsolet.

Diese Gelder werden echte gemeinwirtschaftliche Leistungen «suchen». Bergbetriebe, die sich konsequent an ihren hohen Potenzialen für Gemeinwohlleistungen orientieren, erbringen im Rahmen der Nahrungsmittelproduktion einwandfrei begründete Mehrwerte für die Gesellschaft – für die Landschaft, die Biodiversität, den Tourismus.

Für Bergbetriebe ist die TWI deshalb eine grosse Chance: Sie verzichten nach der Übergangsfrist auf die importierten Futtermittel und beenden die laufende Intensivierung der Produktion und Degradierung der Biodiversität auf ihren Flächen. Im Gegenzug erhalten sie für ihre Leistungen einen namhaften Teil der durch die TWI und die Klimapolitik frei werdenden Beiträge.

Diese Perspektive ist sicherer als die Fleisch- und Milchproduktion am Tropf der Futtermittelkonzerne und Sonderzolltarife für Futtermittel – wirtschaftlich und vor allem auch imagemässig. Und darüber hinaus wird damit die Versorgungssicherheit des ganzen Landes gestärkt.

Landwirtschaft und Umwelt in den Kantonen: Gesamtbewertung

 Rang  Kanton  Durchschnittlicher Rang1
1  GL  6.75
GR  7.65
 OW  9.04 
 UR  9.65 
AI  10.35 
JU  10.85 
NW 11.12
BB  11.31 
VS  12.08
10 BE  12.23 
11 NE  12.38
12 TI 12.62 
13 SH  13.00 
14 ZG  13.42 
15 AR  13.88 
16 SZ 13.88 
17 LU  14.00 
18 VD  14.08 
19 GE  14.15 
20 AG  14.31 
21 SG  14.60 
22 ZH  14.92 
23 FR 15.54 
24 SO  16.31 
25 TG  16.96

























1
Durchschnittlicher Rang über alle Kennzahlen. Ranggleichen Kantonen wurde der Mittelwert der auf sie fallenden Ränge zugeordnet. Quelle: VL (2021), Landwirtschaft und Umwelt in den Kantonen.