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VISION LANDWIRTSCHAFT / NEWSLETTER 28.6. 2018

Getreidebau: Pestizidfrei produzierende Bauern vernetzen

Getreidebau: Pestizidfrei produzierende Bauern vernetzen

Die Landwirte Christian Meier und Bruno Künzli stehen stellvertretend für viele, die zwar nicht Biolandbau betreiben, denen es aber heute gelingt, IP-Suisse-Brot-Getreide ohne Fungizide, ohne Insektizide, ohne Halmverkürzer und sogar ohne Herbizide zu produzieren. Eine anspruchsvolle Herausforderung zwischen Wirtschaftlichkeit und Ökologie, die viel Beobachtungsgabe, Kalkül und Verstand verlangt. Pestizidfrei anbauende Landwirte zu unterstützen und zu vernetzen ist eines der Ziele des Projekts «Pestizidfreie Schweizer Landwirtschaft» von Vision Landwirtschaft.

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(VL) Eine wachsende Zahl von IP-Suisse-Landwirten bauen ihr Getreide pestizidfrei an. Gut 2 Prozent der Brotgetreidefläche sind es derzeit gemäss IP-Suisse-Geschäftsführer Fritz Rothen. Wenig, so scheint es.  Die Zahl ist aber umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass es für pestizidfrei angebautes IP-Suisse-Getreide keinen Mehrpreis gibt. Und dass vor allem der Verzicht auf Herbizide eine Herausforderung ist: Getreide reagiert nämlich sehr empfindlich auf die Konkurrenz von Unkräutern. Diese können zu deutlichen Ertragseinbussen führen.

Weniger Pestizide – weniger Kosten

Ein Schlüssel zur Wirtschaftlichkeit beim pestizidfreien Getreideanbau liegt im tieferen Aufwand: «Durch Verzicht auf Herbizide spare ich pro Hektare 121 Franken, davon Traktorkosten 15 Franken, Kosten für die Spritzenmiete 26 Franken und für Herbizide 80 Franken. Zudem habe ich manchmal, je nach Unkrautbefall, weniger Arbeit als mit der Spritze», rechnet Christian Meier, 50-jähriger Bauer in Niederwenigen bei Zürich, vor.

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Christian Meier mit Töchterchen Ladina im Weizenfeld. Bild: Vision Landwirtschaft

Unkrautdruck niedrig halten

Damit es ohne Pestizide geht, sei es wichtig, die Unkräuter mit Kulturmassnahmen wie einer ausgewogenen Fruchtfolge mit Kunstwiesenanteil in Schach zu halten. Während Christian Meier eine fixe Fruchtfolge einhält, variiert der 40-jährige Bruno Künzli im thurgauischen Nussbaumen mit der Fruchtfolge und sät sein Brotgetreide nach einer Kultur, die er chemisch oder mechanisch unkrautfrei gehalten hat. 2017 konnte er so 60 Prozent seiner Ackerfläche herbizidfrei bebauen. «Dennoch ist es mein letztes Jahr mit Brotweizen, stattdessen werde ich die Emmer- und Dinkelfläche ausweiten, denn diese Sorten eignen sich dank dem hohen Wuchs deutlich besser für den herbizidfreien Anbau». Ähnlich die Erfahrungen von Bauer Christian Meier mit Roggen. «Roggen wird so hoch, dass er die Keimung der Unkräuter verhindert, weil kein Licht mehr durchkommt». Unkräuter oder Schädlinge konnten seinem Getreide dieses Jahr nichts anhaben. Trotzdem muss er mit Ertragseinbussen leben, weil der Hagel ca. 30 % der Körner «ausgeschlagen» habe.

Vielfältige Betriebsmodelle

Christian Meier muss für ungünstige Wettervorkommnisse Rückstellungen machen. In seinem Betriebsmodell, das ihm ein landwirtschaftliches Einkommen von 45'000 Franken ermöglicht, betreibt er neben Ackerbau auch die Aufzucht von Milchvieh. «Im Sommer, wenn die Aufzuchtrinder auf den Weiden sind, bleibt Zeit für eine Zusatzarbeit». Als Hochzeitsfotograf verdient er etwa die Hälfte seines jährlichen Gesamteinkommens. So kommen er, seine Frau, die als Kindergärtnerin in Teilzeit auch zum Familieneinkommen beiträgt, und die vier Kinder zwischen 16 und 2 Jahren, gut über die Runden.

Immer wieder Neues

Auch Bruno Künzli ist nicht nur Bauer. Er ist zugleich Versicherungskaufmann, Maschinenmechaniker, Tauchlehrer und Tourismusunternehmer. Der Beruf des Landwirtes sei von allen der schwierigste. Bruno Künzli ist ein Mensch, der rechnet und vergleicht. Er tüftelt immer wieder an innovativen Ideen und probiert sie aus – nur so findet er mit seinen Eltern auf dem Betrieb heute noch ein nachhaltiges Auskommen. Und nur so kommt er mit insgesamt weniger Pestiziden aus. Die Landwirtschaft ermöglichte ihm im Jahr 2017 ein Einkommen von etwa 41'000 Franken. Er beschäftigt sich mit neuen Produktionsformen, die er vor allem im Web oder im Austausch mit Biolandwirten recherchiert. Zum Beispiel macht er Versuche mit Salz, um das Getreidehähnchen zu bekämpfen.

Bundesgelder fürs Risikomanagement

Bauer Künzli bekommt einen Preiszuschlag für den herbizidfreien Anbau, wenn er den Boden nicht pflügt. In Frage kommen dann Mulchsaat - ein pflugloses Saatverfahren, bei dem die Pflanzenreste der Vorfrucht vor und nach der Neuaussaat die Bodenoberfläche bedecken - oder Streifenfrässaat. Bei dieser Methode beschränkt sich die Bodenbearbeitung auf einen schmalen Frässtreifen der sofort eingesät wird. Auch Direktsaat ist möglich: die Saat erfolgt ohne Bodenbearbeitung direkt nach der Ernte der Vorfrucht. Beim Verzicht auf den Pflug ist es schwierig, ohne Herbizide auszukommen. Und doch darf Bruno Künzli ab der Ernte der Vorkultur keine Herbizide mehr einsetzen, wenn er Ressourceneffizienzbeiträge erhalten will. Um die Unkräuter mechanisch zu bekämpfen, bedarf es ideales Wetter und einen trockenen Boden. «Das kurze Zeitfenster bedeutet oft Stress», sagt Bruno Künzli. Er muss jeden günstigen Moment ausnutzen, um das Unkraut mechanisch zu bekämpfen. So ergeben sich laut Bruno Künzli Mehrkosten für die mechanische Unkrautkontrolle, sowie ein erhöhtes Anbaurisiko. Diese Faktoren werden aber durch die zusätzlichen Beiträge des Bundes gedeckt. «Ich erhalte für die Mulchsaat pro Hektare 150 Franken und für herbizidfreien Anbau 400 dazu. Zudem spare ich 150 Franken für die Spritzung». Diese Gelder und die Einsparung schaffen es knapp, die zusätzliche Arbeit und den Minderertrag, mit dem es durch den pestizidfreien Anbau zu rechnen gilt, zu decken. Durch die Bundesgelder spielt also der mengenmässige Ertrag bei der Wirtschaftlichkeit eine kleinere Rolle. Die Direktzahlungen helfen, das Risiko eines schlechten Jahres besser zu managen.

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Bruno Künzli im Emmerfeld. Bild: Vision Landwirtschaft

Der Markt bestimmt mit

IP-Suisse-Geschäftsführer Fritz Rothen betont, dass KonsumentInnen, aber auch Verarbeiter immer mehr pestizidfreies Getreide verlangen. Das hat Konsequenzen: «Ab Saattermin 2018 gilt bei IP-Suisse-Extenso-Brotgetreide ein Glyphosatverbot. Das gilt auch für die Vorkultur». IP-Suisse-Extenso-Brotgetreide sei damit frei vom umstrittensten und am häufigsten eingesetzten Herbizid. Doch ganz pestizidfrei sei das nicht, weil der Einsatz von anderen Herbiziden noch erlaubt bleibe. Beachtlich immerhin: Allein die Aussicht auf ein Glyphosat-Verbot habe die vor- und nachgelagerte Industrie in Bewegung gebracht. Maschinenhersteller hätten plötzlich präzisere Striegelgeräte zur mechanischen Unkrautbekämpfung auf den Markt gebracht. Diese könnten sowohl vor Auflauf der Getreidekörner wie auch nach der Keimung eingesetzt werden.

Resistente Schweizer Sorten

IP-Suisse-Saatgetreide stammt ausschliesslich aus Schweizer Sorten. Diese seien einerseits resistenter gegen Krankheiten und Schädlinge als viele ausländische Sorten, andererseits ergeben sie qualitativ hochwertiges Mehl, sagt Fritz Rothen. «Pestizidfreies Brotgetreide ist wirtschaftlich zunehmend mit dem konventionellen vergleichbar», ergänzt er. Die Jowa, eine Tochtergesellschaft der Migros, nimmt für ihre Bäckereien 80 Prozent des IP-Suisse Brotgetreides ab und bestimmt damit auch die Qualität und den Preis massgebend mit. Die Migros wirbt aber noch nicht mit pestizidfreiem Getreide. Kleinere Mühlen wie die Firma Bachmann aus Willisdorf (TG), der Bauer Bruno Künzli sein Getreide abliefert, oder die Mühle Steinmaur (AG), die von Bauer Christian Meier das Brotgetreide abnimmt, werben mit dem Slogan «voll Natur». Fritz Rothen ist überzeugt: «Die Zukunft gehört der Resistenzzüchtung, der minimalen Bodenbearbeitung sowie der Robotertechnik für alle Feldarbeiten».

Forschung, sowie Innovationen durch moderne Technik und Züchtung weisen also den Weg in Richtung einer pestizidfreien Landwirtschaft.